Der globale Polizeistaat
Terroranschläge« verurteilte und sie als »Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit« einordnete, sondern forderte, »die Täter, Organisatoren und Förderer dieser Terroranschläge vor Gericht zu stellen«.
Diese Resolution reichte aus, um einen großen Teil der Welt in den Krieg zu ziehen. Denn, no moment of deliberation , gleich darauf stellte die Nato den »Bündnisfall« fest, den Fall des Beistandes für ein kriegerisch angegriffenes Bündnismitglied. Parole »Caroline«: Die Operation Enduring Freedom begann, der Einmarsch von Nato-Truppen in Afghanistan, die Verteilung von Nato-Kriegsschiffen, auch deutscher, vor den Küsten afrikanischer »Terror-Länder«, die weltweite Jagd Amerikas auf Al Kaida-Verdächtige, schließlich der Feuerblitz in der jemenitischen Wüste. Dies alles schien völkerrechtlich kein Problem mehr - hatte nicht der Sicherheitsrat, das höchste politische Organ der Welt, selbst zur Jagd geblasen?
Als sich der Rauch über Manhattan verzogen hatte, der Politik und Recht vernebelte, als das Entsetzen über die 3000 Toten nachließ, die grauenvolle Arbeit der Identifizierung der Leichen erledigt war, als auch in Amerika wieder so etwas wie Alltag begann, las so mancher die UN-Resolution vom 12. September erneut und in Ruhe. Komisch, hatte der Sicherheitsrat nicht der schwer verwundeten Nation das »naturgegebene Recht auf Selbstverteidigung« zugestanden, hatte das Gremium nicht zum Krieg gegen Al Kaida aufgerufen?
Lesen wir genau: Der Sicherheitsrat »verurteilt« das Attentat, »bekundet« Beileid, »fordert«, die Täter vor Gericht zu stellen, »fordert« verstärkte Zusammenarbeit zur Verhütung des Terrors,
»bekundet« seine Bereitschaft, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, »beschließt mit der Angelegenheit befasst zu bleiben«.
Fertig. Von Krieg steht da nichts. Allerdings ist die ganze Resolution verfasst »in Anerkennung des naturgegebenen Rechts zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung im Einklang mit der Charta«.
Was erkennt der Sicherheitsrat an - die Charta der Vereinten Nationen? Wieso kommt es darauf an, ob er sie anerkennt? Wahrscheinlich ist mit dem Originalausdruck »recognizing« gemeint, der Sicherheitsrat weist darauf hin, dass es in der UN-Charta ein Recht auf Selbstverteidigung gibt. Ganz offenbar ist damit aber nicht gemeint, dass der Sicherheitsrat den Angriff vom 11. September als Fall des Selbstverteidigungsrechts »anerkennt«. Die Lektüre des Artikel 51 der Charta zeigt, dass er das auch gar nicht kann.
In Artikel 51 steht: »Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.«
Der Wortlaut dieser Charta-Vorschrift ist in den vergangenen Jahren zum Dreh- und Angelpunkt für die weltweite Diskussion um den Einsatz von Militär gegen Terroristen geworden. Darauf, dass der UN-Sicherheitsrat den Angriff vom 11. September als Fall des Selbstverteidigungsrechts ansieht, baut auch der Deutsche Innenminister seine Thesen über den Einsatz der Bundeswehr. Es lohnt darum, den Artikel 51 noch einmal in Ruhe zu lesen.
Dann wird klar, warum der Sicherheitsrat über alles, aber nicht über den Krieg befunden hat: Das staatliche, kriegerische Selbstverteidigungsrecht wird in Artikel 51 erwähnt als Ausnahme von dem grundsätzlich geltenden Kriegsverbot der Vereinten Nationen. Ausnahmen vom generellen Verbot, kriegerische Gewalt zu üben, darf nur der Sicherheitsrat im Einzelfall erteilen - etwa zur Wiederherstellung des Weltfriedens. Von dieser Ausnahmeregelung gibt es wiederum eine Ausnahme: Fälle der Selbstverteidigung gelten nicht als Bruch des Gewaltverbotes, bedürfen darum auch keiner Erlaubnis des Sicherheitsrates. Vielmehr steht den Staaten ihr Selbstverteidigungsrecht unabhängig von den Regeln der Charta zu, allerdings nur, bis der Sicherheitsrat seinerseits eine
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