Der globale Polizeistaat
terroristischen Bedrohung, so der Professor, habe »das Völkerrecht ebenso wie innerstaatliche Rechtsysteme bewusst Risiken in Kauf genommen«, um das Schlimmste, den Krieg, zu verhindern. Nolte: »Die völkerrechtlichen Regeln haben niemals gestattet, dass eine Nuklearmacht ohne eine erkennbare Zuspitzung der Gefahrenlage eine andere Nuklearmacht präventiv angreifen darf, nur weil dies die letzte Chance sein könnte«, sich gegen einen kriegerischen Überfall abzusichern. Vor allem dürfe man nicht so tun, als sei es weniger problematisch, Krieg gegen Menschen statt Krieg gegen Staaten zu führen. »Auch im völkerrechtlichen Menschenrechtsschutz ist es bislang nicht akzeptiert worden, dass eine ›böse‹ Person präventiv getötet werden darf, bevor sie ihre Waffe tatsächlich erhoben hat. Das gleiche gilt für die internen Rechtsordnungen aller Rechtsstaaten.« Der Professor warnt:
Wenn die hergebrachte Begrenzung staatlicher Selbstverteidigung auf den unmittelbar drohenden Angriff aufgegeben wird, habe »das nicht nur Folgen für einige ›Schurkenstaaten‹, sondern für jedermann.«
Es ist in der Weltordnung wie daheim im Rechtsstaat: Knüpft die Ermächtigung zur Gewaltanwendung an Risikoabwägung im Vorfeld einer Attacke an, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Krieg oder Polizeiaktionen unnötig oder gegen Unschuldige geführt werden. Je vager die Bedrohung, die für eine Reaktion ausreichen soll, desto weniger kontrollierbar - für den Sicherheitsrat, für die Gerichte - ist die Behauptung eines Staatenführers, er müsse zum Mittel der Selbstverteidigung greifen. Umgekehrt, darauf weist Nolte hin, enthalte das Erfordernis der »Unmittelbarkeit« der Bedrohung »das Element der Offensichtlichkeit«. Nur wenn man daran festhalte, dass staatliche Verteidigungsrechte allein gegen das Unstreitige, das Offensichtliche, möglich seien, könne Missbrauch, das Ausufern der Kriege, vermieden werden.
Doch Nolte steht weitgehend allein. Die Erwähnung des naturgegebenen Selbstverteidigungsrechts der Staaten in der UN-Resolution vom 12. September hat für zahlreiche UN-Mitglieder wie der Startschuss für weltweite Präventivkriege geklungen.
»Kawum!«
Ein Fight ist kein Krieg - Alles Quatsch, sagt Robert Gates -
Heißt es: umgebracht? - ASU-Plaketten am Hindukusch -
Zigarette vom Taliban? - Furchtbar und sinnlos
Wofür ist Patrick Behlke gefallen? Fürs Vaterland? Für die Freiheit? Für die Gerechtigkeit?
Der Stabsunteroffizier des Fallschirmjägerbatallions 263 kam am 20. Oktober 2008 gegen ein Uhr mittags zusammen mit seinem Kameraden, dem 22-jährigen Stabsgefreiten Roman Schmidt in der Nähe der afghanischen Stadt Kundus ums Leben. Die beiden
wurden Opfer eines Selbstmordattentäters. Sie starben am Hindukusch in einem Krieg, der nach Ansicht ihrerVorgesetzten gar keiner ist, weil es keinen Feind gibt, jedenfalls keinen, den zu bekämpfen die Soldaten Behlke und Schmidt einen Auftrag hatten. »Mit dem Wort Krieg möchte ich vorsichtig sein«, sagt der deutsche Afghanistan-General Hans-Lothar Domröse. »Für mich ist das mehr ein Fight.« Fight heißt Kampf, aber mit dem Wort sollte man ebenso vorsichtig sein, denn ein Kampfeinsatz ist es gerade nicht, zu dem deutsche Soldaten zusammen mit den Nato-Verbündeten ins wilde Afghanistan ausgerückt sind. Die Soldaten sollen schützen, helfen, das zerstörte Land aufbauen. Der oberste Kriegsherr, nein: sagen wir, Befehlshaber, Verteidigungsminister Franz Josef Jung, spricht von einem »Einsatz« seiner Jungs: »Der Einsatz in Afghanistan hat etwas zu tun mit der Sicherheit hier. Es ist in unserem Interesse, wenn wir die Risiken dort beseitigen, wo sie entstehen.«
Alles Quatsch. Robert Gates, der US-amerikanische Verteidigungsminister, hält die deutschen Spitzfindigkeiten im Krieg gegen den Terror für typisch altes Europa: »Nato’s first ground war«, der erste Bodenkrieg in der Geschichte des westlichen Militärbündnisses, das sei es, worin die rund 4000 deutschen Krieger am Hindukusch verwickelt sind.
Der Krieg um das richtige Wort macht den Tod von Patrick Behlke und Tausender anderer in Afghanistan zu einer Tragödie. Da sterben fast täglich Menschen in einem Land am anderen Ende der Welt - und niemand kann so richtig sagen, wozu das gut sein soll. Der Krieg der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten, gleich nach dem 11. September 2001 unter dem Namen Operation Enduring Freedom (OEF) begonnen, zielte gegen das terrorgeneigte
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