Der globale Polizeistaat
Taliban-Regime in Kabul und Terrornetzwerke in anderen unsicheren Staaten dieser Welt. Er dauert an, hat sogar unter dem neuen Präsidenten Barak Obama noch an Wucht gewonnen. Doch in Afghanistan amtiert längst eine Regierung von Washingtons Gnaden, und die Taliban haben nun die Rolle Aufständischer übernommen. Die Nato ist als
International Security Assistance Force (Isaf) angetreten. Security Assistance: Das ist die Operation, in der Patrick Behlke starb, und sie gilt, Robert Gates zum Trotz, als Friedensdienst, nicht als Kriegsdienst. Isaf ist ein Auftrag des Sicherheitsrates der Uno. Der beschloss kurz nach dem 11. September 2001 in seiner Resolution 1386 (nicht zu verwechseln mit der Selbstverteidigungsresolution 1368, die zur Grundlage für die Operation Enduring Freedom wurde) »the establishment for 6 months of an International Securitiy Assistance Force to assist the Afghan Interim Authority in the maintenance of security in Kabul and its surrounding areas, so that the Afghanistan Interim Authority as well as the personnel of the United Nations can operate in a secure environment«. Dieses Mandat wurde später auf ganz Afghanistan ausgedehnt und mehrfach verlängert.
So entwickelte sich, was ursprünglich als reine Polizeitruppe zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Kabul und Umgebung gedacht war, zur landesweit agierenden Streitmacht. Und in dem Maße, in dem die von der Macht vertriebenen Taliban sich gegen den neuen Machthaber und ihre Beschützer von der Nato formierten, entwickelte sich - jedenfalls in weiten Teilen des Landes - ein blutiger Bürgerkrieg. Eine Sonderrolle nahmen da die deutschen Soldaten ein, die versuchten, sich so weit wie möglich vom Kampfgeschehen fernzuhalten. Denn für Kampfeinsätze hatten sie kein Mandat des Bundestages. Doch alsbald wurden auch die deutschen Isaf -Soldaten in den unerklärten Krieg gegen die Taliban verwickelt, 2008 übernahmen sie im eigentlich ruhigeren Norden die Führung einer Spezialeinsatztruppe gegen die Rebellen, zudem sind es deutsche Tornados, die Luftaufklärung zur Beobachtung von »Feind«-Bewegungen und von Widerstandsnestern übernehmen. Dies alles geschieht - das hat die Uno ausdrücklich verlangt - in enger Zusammenarbeit mit der amerikanisch geführten Kriegsoperation Enduring Freedom .
Der Isaf- Einsatz geriet 2007 derart kriegerisch, dass es selbst der Regierung in Kabul zu heftig wurde. Im Eifer hätten die Nato-Truppen,
so klagte Regierungschef Hamid Karzai, »wahllos und ungenau« tödliche Einsätze gegen Taliban-Mitglieder geführt, dabei seien in nur zehn Tagen 90 Zivilisten getötet worden. Die Isaf -Führung selber bedauerte zwar die Kollateralschäden, wollte im Kampf gegen die Taliban ihr Licht andererseits keinesfalls unter den Scheffel gestellt sehen: An einem Wochenende, prahlte ein Sprecher, habe die Truppe 150 Taliban - ja was, vernichtet, ermordet, besiegt? - »umgebracht« ist die Formulierung der Süddeutschen Zeitung, die im fernen Deutschland über das Geschehen am Hindukusch berichtete. 25
Umgebracht. Darf man das sagen? Für das Töten im Krieg wäre es sicher Polemik. Aber weit ab vom Schuss im friedlichen Deutschland bleiben sie dabei: Das ist kein Krieg, was die Nato da in Afghanistan macht. In Wahrheit geht es aus deutscher Sicht nach wie vor um eine Polizeiaktion, mag auch diesmal nicht Wolfgang Schäuble, sondern Franz Josef Jung dafür zuständig sein.
Bis ins Detail hat Berlin vorgesorgt, dass am Hindukusch für die deutschen Truppen Polizeirecht gilt, nicht Kriegsrecht. Sogar die deutsche Straßenverkehrsordnung gilt für die Militärfahrzeuge im Isaf -Einsatz, regelmäßig kommt ein Prüfer angeflogen und sorgt dafür, dass alle Autos die neuen ASU-Plaketten haben.
Dass die in Berlin so tun, als wäre Frieden, kann manchmal recht lästig sein. Das merken die Soldaten schon, wenn sie in den Jeep steigen, um auf Streife zu fahren. Der Geländewagen »Wolf« wurde bereits in den Sechzigerjahren konstruiert von Leuten, die sich die Mühen des Friedensdienstes am Hindukusch nicht vorstellen konnten. Das Militärfahrzeug hat nur zwei Türen. In voller Montur - Schutzweste (15 Kilo), Waffe, Ausrüstung - ist der Einstieg auf den Rücksitz für die Soldaten eine Tortur. Für lebensgefährlich halten Experten diese Konstruktion, wenn es darauf ankommt, den Wagen im Falle etwa eines Feuerüberfalls schnell zu verlassen. Soldaten in Afghanistan zeigten, dass sie auch mit unvorhergesehen
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