Der globale Polizeistaat
ihm die tapferen Soldaten mit ihrer Taschenkarte in den Tod. So furchtbar und so sinnlos kann es enden, wenn Soldaten Räuber und Polizei spielen.
»Vollkommen egal, ob er schläft«
Die Grenze zwischen Krieg und Frieden - Der Feind als solcher -
Der Gegner als Verdächtiger - Reicht der Bart? - Der Gegner als
Risiko - Afghanistan überall - Bin Ladens Chauffeur
Die Unterscheidung zwischen Krieg und Polizeieinsatz, sagt der deutsche Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio, markiere »eine zivilisatorische Errungenschaft«. 31 Und dass Di Fabio recht hat, zeigen nicht nur die Schilderungen des - juristischen und des menschlichen - Elends in Afghanistan. Tatsächlich ist das moderne Völkerrecht weitgehend auf dieser Unterscheidung aufgebaut. Krieg, eine Auseinandersetzung, in der es um die voraussetzungslose, aber zweckgerichtete Vernichtung des Feindes und seiner Agenten, der Soldaten, geht, ist nur unter strikt definierten Umständen zulässig, die Völkerrechtsordnung der Vereinten Nationen wacht darüber. Das Internationale Strafrecht sieht sogar vor, Angriffskriege als Verbrechen zu behandeln.
32 Polizeiarbeit hingegen ist Verhinderung und Ahndung von Unrecht, vereinfacht Rechtsdurchsetzung - um ihrer selbst willen. Folglich hat sie keinen Anfang und kein Ende, sondern ist an die Existenz des rechtsgewährenden Staates gebunden. Es gibt keine Schlachten und keine Siege. Aber polizeiliche Gewaltanwendung ist dafür an strenge, in Gesetzen genau bezeichnete Voraussetzungen gebunden. Darüber hinaus gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit - eine Art Antivernichtungsgebot: Die Opfer der polizeilichen Arbeit sind so weit nur irgend möglich zu schonen. Die Tötung ist nur ausnahmsweise und als Notwehr zulässig. Der Schutz von Menschenleben ist der eigentliche Zweck dieses wie jedes staatlichen Handelns.
Die Situation, in der die Polizei tätig wird, lässt sich so zusammenfassend als Frieden bezeichnen. Das Rechtssystem, das dies alles sichert, ist die wichtigste zivilisatorische Leistung seit dem Dreißigjährigen Krieg. Es ist in den letzten Jahrzehnten immer weiter verfeinert und ausgebaut worden. Das Ende des mörderischen Zweiten Weltkrieges und das Wissen um die unvorstellbaren Grausamkeiten, begangen durch deutsche Soldaten, markiert dabei einen völkerrechtlichen Wendepunkt wie einst der Friedensschluss nach dem dreißigjährigen Gemetzel 1648. Dreihundert Jahre nach dem Frieden von Münster und Osnabrück beschlossen die wichtigsten Völker der Welt, den Krieg eng zu limitieren und den Frieden friedlicher zu machen. Ersteres geschah durch das völkerrechtliche Gewaltverbot der Vereinten Nationen, Letzteres durch die nahezu weltweite Anerkennung der Menschenrechte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen verfasst und die Europäische Menschenrechtskonvention ins Leben gerufen. Die Europäischen Menschenrechte sind sogar bei dem eigens zu diesem Zweck eingerichteten Menschenrechtsgerichtshof des Europarates in Straßburg einklagbar - wie die ähnlich ausgelegten deutschen Grundrechte vor dem Bundesverfassungsgericht.
Die Wichtigkeit, Frieden von Krieg zu trennen, hat zugenommen, denn die Menschenrechte, die im Völkerrecht mittlerweile
vielfältig verankert sind, gelten nur im Frieden, nicht im Krieg (dies ist unstreitig unter Völkerrechtlern, allerdings lassen die Formulierungen der Europäischen Menschenrechtskonvention eine solche Aussage nicht mit hinreichender Klarheit zu). Dies sagt schon der Kriegsverstand jedes schlichten Gefreiten: Das Menschenrecht auf Leben erlaubt Töten nur als Notwehrhandlung. 33 Im Krieg jedoch ist das Töten von Kombattanten Selbstzweck, wenn auch im Rahmen des humanitären Kriegsvölkerrechts, das (nicht zu verwechseln mit den Menschenrechten) das militärisch nicht nützliche Töten verbietet. Nicht anders verhält es sich mit dem Menschenrecht auf Freiheit: Zwar ist es erlaubt jemanden einzusperren, aber nur aufgrund eines Gerichtsverfahrens. Im Krieg unvorstellbar: Was soll ein General mit Kriegsgefangenen anstellen, die auf rechtsanwaltlichem Beistand beharren und verlangen, einem Haftrichter vorgeführt zu werden? Und worüber soll dieser Haftrichter auch richten? Krieg ist Krieg.
Wie die Barriere zwischen den Rechtszuständen des Krieges und denen des Friedens im Zeitalter des Terrorismus aufrechterhalten werden kann, darüber hat sich der US-amerikanische Kriegsrechtler Geoffrey Corn 34 , ein Rechtsprofessor
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