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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Problemen neuartiger Einsätze
umgehen können: Sie bauten die Rücksitze aus und setzten an ihre Stelle zwei längs zur Fahrtrichtung und parallel zueinander angebrachte Bänke. Ein- und Ausstieg nun vom Heck, mit dem Vorteil der Sicherung gegen Attacken von hinten. Genial.
    Im Krieg vielleicht, aber nicht im Frieden. Das Berliner Verteidigungsministerium ordnete den Rückbau der Jeeps in die ursprüngliche Sitzordnung an: Andernfalls drohe der Verfall der Herstellergarantie für die Fahrzeuge. 26
    So ist es, wenn Beamte anfangen, über den Krieg zu rechten. Sie bestehen ja auch darauf, dass das Grab von Patrick Behlke nicht von der Kriegsgräberfürsorge betreut wird - denn der junge Soldat ist ja nicht in einem Krieg, sondern in einem »Fight« gestorben.
    Irgendwann, das war nicht anders zu erwarten, würde der Etikettenschwindel beim Bundesverfassungsgericht landen. Ist nicht der Auftrag der deutschen Soldaten vom Grundgesetz auf die Landesverteidigung im Krieg beschränkt? Als Reaktion auf einen kriegerischen Angriff? Was also treibt die Bundeswehr am anderen Ende der Welt wirklich? Und zu welchem Zweck? Die Bundestags-Linken brachten, angeregt durch kritische Äußerungen des Völkerrechtlers Ulrich Fastenrath im SPIEGEL, mit einer Organklage diese Fragen nach Karlsruhe: Zumindest der Einsatz der Tornadoflugzeuge verwickle die Bundeswehr endgültig in Kriegsaktionen, die das Grundgesetz nicht erlaube.
    Das Verfassungsgericht hielt sich nicht lange damit auf, zu klären, was in Afghanistan wirklich passiert. Krieg oder Polizeieinsatz: Jedenfalls sei die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato- Isaf -Aktion vom Auftrag gedeckt, den die Nato mit Zustimmung des deutschen Parlaments habe, nämlich: »der Sicherheit des euro-atlantischen Raums« zu dienen. Dies könne auch durch militärische Einsätze weitab vom Nato-Gebiet, etwa am Hindukusch, geschehen. Denn: »Angesichts der heutigen Bedrohungen durch global agierende terroristische Netzwerke können, wie der 11. September 2001 gezeigt hat, Bedrohungen für die Sicherheit des Bündnisgebietes nicht mehr territorial eingegrenzt werden«. 27

    Das Urteil segnet die Waffen der Bundeswehr für Unternehmungen, die sich die Nato schon länger auf die Fahnen geschrieben hat. Zweieinhalb Jahre vor dem 11. September hatten die Strategen des transatlantischen Bündnisses in Washington das »Neue Strategische Konzept« der Nato beschlossen. Während herkömmlich nach Artikel 5 und 6 des Nato-Vertrages die Bündnispflicht im Falle eines »bewaffneten Angriffs« auf das Territorium eines Mitgliedstaates im Mittelpunkt stand, sollten die Militärs nun »präventive Krisenbewältigung« betreiben, mit vereinigter Waffengewalt gewährleisten, »dass potentiellen Krisen in einem frühen Stadium begegnet wird«. Die Risiken und möglichen Krisen wurden dabei außerordentlich weit definiert. Die Sicherheitsinteressen, für die militärische Vorsorge zu treffen ist, werden keineswegs mehr nur durch militärische bewaffnete Konflikte berührt, vielmehr können sie »von anderen Risiken umfassender Natur« berührt werden - einschließlich »Terror-Akten, Sabotage und organisiertem Verbrechen sowie der Unterbrechung der Zufuhr lebenswichtiger Ressourcen«.
    Die Nato hat so bereits 1999 vorausgedacht, was nach 9/11 erstmals virulent wurde: Der Krieg gegen den Terror als weltweite Polizeiaktion. Militärs haben danach nicht nur präventiv die Sicherheit zu schützen, unabhängig von einem Angriff, ja selbst unabhängig von der Gefahr eines Angriffs. Sie haben ihre Waffen präventiv nicht nur gegen feindliche Staaten, sondern, Parole »Caroline«, auch gegen Menschen zu richten, die unter Terrorismusverdacht stehen, sie haben die Staatsgewalt zu übernehmen in fremden »gefährlichen« Staaten, die ihrerseits unwillig oder unfähig sind, mit Terrornetzwerken fertig zu werden.
    Für den deutschen Staatsrechtler Erhard Denninger, der schon vor ein paar Jahren ein warnendes Buch über das Recht in globaler Unordnung 28 veröffentlicht hat, hat diese neue westliche Lehre wichtige Säulen zumindest des deutschen Verständnisses von Krieg und Frieden angeknackst: »Der Begriff der Verteidigung«, so Denninger, »verliert seinen territorialen Bezug« - der aber
ist nach dem deutschen Grundgesetz essenziell: Verteidigung ist immer Landesverteidigung. Indem anstelle der Verteidigung die weltweite Krisenprävention trete, verschwinde zudem der »rechtfertigende Bezug« grenzüberschreitender

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