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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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zivilen Weltgewaltrecht

Erstes Kapitel
    Die Geschichte auf dem Rückweg
    Der kleinste Krieg der Neuzeit war der Wasunger Krieg. Er kostete nur einen Soldaten das Leben. Schon deshalb lohnt es sich, seine Geschichte zu erzählen.
    Der Krieg begann beim Abendessen. Die Speisen waren bereits aufgetragen, der Page stand zum Gebet bereit. Am Hof des Herzogs Anton Ulrich von Sachsen-Meiningen herrschte ein strenges Tischzeremoniell, das besonders pingelig eingehalten wurde, wenn der Souverän nicht da war. Und an diesem Augusttag des Jahres 1746 war er - wie so häufig - nicht da. So war es der Stallmeister und Hof-Stabs-Commandant von Buttlar, der sich berufen fühlte, der rangältesten Hofdame, Christiane Auguste von Gleichen, einer geborenen von Schick, die unangenehme Mitteilung zu machen, der Landesherr habe befohlen, »dass die Frau von Pfaffenrath den Rang vor allen Damens haben soll«. Frau von Gleichen, zutiefst empört, konnte zunächst gar nicht reagieren. Als sich die Flügeltüren zum Speisesaal öffneten, betrat Frau von Pfaffenrath, die günstig postiert war, als Erste den Saal. Frau von Gleichen eilte um die Tafel herum zum Minister von Pfau und erklärte, wenn sich dieser Affront am Ende der Tafel wiederholen sollte, werde sie die Pfaffenrath »mit Aufopferung ihres Reifrockes zurückziehen und ihr ein paar Worte sagen, welche sehr verdrießlich werden könnten«. Der kluge Minister wendete den Eklat ab, indem er der Edelfrau empfahl, doch einfach die Tafel vor dem Schlussgebet zu verlassen - dann sei sie ja beim Hinausgehen die Erste.
    Schlechte Zeiten für Diplomatie. Frau von Gleichen wollte Krieg. Zu ungerecht fand sie die Anordnung des Herzogs, ihre Degradierung. Diente ihr Gatte, der Landjägermeister Ludwig von Gleichen, nicht seit vierzig Jahren? Wohingegen der Mann
der Pfaffenrath ein Geworfener war, kein Geborener. Justus Hermann Pfaffenrath war doch erst eilig geadelt worden, nachdem er sich das Herz der Comtesse Wilhelmine Amalie gegen den Willen des Vaters, des Grafen Friederich Wilhelm zu Solms-Hohensolms selig, erobert, nein, erschwindelt hatte. Nun hieß die Comtesse zu Solms-Hohensolms einfach nur noch Frau von Pfaffenrath - und dadernach war sie auch. Gerüchte über voreheliche Abenteuer der lebenslustigen Comtesse verbreitete die düpierte Frau von Gleichen unermüdlich überall im Meininger Land. Sie trieb es so toll, dass schließlich der Herzog eingriff. Er verlangte erst, dass sich die ehemalige Erste Hofdame bei der neuen Ersten Hofdame »knieend und öffentlich« entschuldige. Als das - natürlich - nicht fruchtete, ließ der Herzog die Edle und ihren Gatten einsperren - in das berüchtigte Gefängnis »Rosenthal«.
    Die Affäre eskalierte: Aus der Haft heraus vermittels eines Freundes rief die inhaftierte Hofdame am 7. Januar 1747 die oberste juristische Instanz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation an - das Reichskammergericht in Wetzlar. Die Richter reagierten prompt: Das Ehepaar, so erging Befehl an das Herzogtum Meiningen, sei sofort aus der Haft zu entlassen. Die Meininger reagierten, indem sie die Haftbedingungen verschärften.
    Nun schickte das Gericht eine Zweitausfertigung des Befehls dem Herzog persönlich. Dieser war allerdings mal wieder nicht da, sondern weilte in Frankfurt. Auch in Frankfurt konnte der Gerichtsbote nichts ausrichten: Der Herzog warf ihn einfach aus dem Haus.
    Da beauftragte das Reichskammergericht Herzog Friedrich III. aus dem benachbarten Sachsen-Gotha damit, das Ehepaar von Gleichen zu befreien, es sicher zu verwahren und innerhalb eines Monats Bericht zu erstatten.
    So macht man das: law enforcement im Alten Reich. Herzog Friedrich III., froh, seinem ungeliebten Vetter eins auswischen zu können, setzte 20 Offiziere und 891 Mann in Marsch, ausgestattet mit einem Blockmörser und 18 Bombarden. Die Meininger
ihrerseits besserten ihre Wälle aus, richteten die Kanonen, ließen Wasser in den Graben und schlossen die Stadttore. Beim meiningenschen Dorf Niederschmalkalden kam es zum Gefecht, am 12. Februar 1747 fiel der sachsen-meiningensche Leutnant Zimmermann. Tags darauf besetzten die siegreichen sachsen-gothaischen Truppen das Städtchen Wasungen und machten Anstalten, Meiningen zu erobern. Schon die Nachricht wirkte Wunder: Alsbald meldete sich die umgehend freigelassene ehemalige Erste Hofdame bei der feindlichen Heeresleitung in Wasungen. Dort war man enttäuscht: Der Kriegsgrund war beseitigt, keine Heldentaten mehr und keine

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