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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Siege.
    Die Soldaten machten ihren eigenen Frieden mit den Wasunger Bürgertöchtern. Einige von ihnen haben sie sogar geheiratet. Am Haus der Meininger Ernestinerstraße Nummer 14 aber kündet bis heute eine Plakette: »Hier wohnte Wilhelmine von Pfaffenrath, Urheberin des Wasunger Krieges.«
    Schon diese Inschrift muss den kundigen Leser dieses Buches aufhorchen lassen. Wieso eigentlich Krieg? Hier hat ein Gericht das Recht durchgesetzt. War das nicht eine gerichtliche Vollstreckungsmaßnahme, klassische Polizeiarbeit? Und wieso ist die gute Pfaffenrath schuld? War sie doch von edelstem Geblüt derer von Solms-Hohensolms. Außerdem hatte sie doch den Herzog auf ihrer Seite, und der Herzog war der Souverän: Er setzte das Recht. Wie kommt das Gericht in Wetzlar überhaupt dazu, sich da einzumischen?
    Der Frankfurter Rechtshistoriker Michael Stolleis hat, nach einem Spaziergang in Meiningen, die alte Geschichte ans Licht der staatsrechtlichen Fachwelt gezogen. 1 Denn der 250 Jahre alte Fall verweist auf eine weitgehend vergessene Einrichtung, die manchen als Modell für eine Neuordnung der Welt von morgen erscheinen könnte: Das Reichskammergericht, das mehr als dreihundert Jahre lang - mit wechselndem Erfolg - im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dafür zuständig war, im Durcheinander kleiner und großer Fürstentümer und Staaten, eigensinniger Herzöge und frömmelnder Politiker so
etwas wie eine überstaatliche Ordnung zu pflegen. Die Richter hatten das letzte Wort über die Zwistigkeiten im Reich ohne Mitte: Das Deutsche Reich hatte keine andere funktionierende Machtzentrale, zu Zeiten der Ersten Hofdame etwa setzte sich Deutschland aus bald 2000 Ministaaten zusammen, neben den Giganten Preußen und Österreich meist kleinen, nicht selten aber größenwahnsinnigen Fürstentümern, deren souveräne Herren den Umgang mit ihren Bürgern als »innere Angelegenheiten« betrachteten.
    Dreihundert Jahre lang, bis zum Zerfall des Reiches 1806, funktionierte die Superinstanz. Sie fasziniert, mitsamt ihren skurrilen Rechtsfällen, noch heute Rechtshistoriker und Völkerrechtsexperten. Könnte so eine Instanz ein Vorbild für die Neuordnung der ins Durcheinander von innen und außen geratenen Staatenwelt sein? Ein Weltkammergericht, zuständig für die Grenzfälle zwischen Krieg und Frieden, ebenjene Grenzfälle, die nun die Westfälische Staatenordnung an den Rand ihrer Funktionsfähigkeit zu bringen drohen?
    Das Reichskammergericht war die erste Instanz einer Idee, die bis heute das Völkerrecht antreibt: Frieden durch Recht. Das ist eine Idee, die viel älter ist als die moderne Staatenwelt, sie steht am Anfang der Neuzeit. 1495, gleich nach der Entdeckung Amerikas und der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, verkündete Maximilian I. auf dem Reichstag in Worms den »Ewigen Landfrieden«. Zu seiner Durchsetzung gründete er das Reichskammergericht.
    Die Trennung von Recht und Gewalt, von Frieden und Krieg, erlangte Bedeutung für die gesamte zivilisierte Welt. Dabei war es ein Jahrhunderte langer Prozess gewesen, der zum »Ewigen Landfrieden« geführt hatte. Stück für Stück, wie das Land am Ufer des Meeres, war das von Willkür, Aberglaube und dem Gewaltrecht des Stärkeren geprägte gesellschaftliche Leben des Mittelalters trockengelegt, dem Friedensregime des Rechts zugeführt worden. Der Trockenlegungsprozess begann bereits im 10. Jahrhundert in Frankreich. »Gottesfrieden« hießen die
Vereinbarungen zwischen dem weltlichen Adel und kirchlichen Würdenträgern: Kirchen und Priester, Frauen und Bauern sollten wenigstens an heiligen Tagen der Woche von willkürlichen Übergriffen der adeligen Obrigkeit verschont sein. Bald wurden in ganz Europa solche Landfriedensvereinbarungen gepflegt, in denen sich die Adligen unter Eid der Kirche verpflichteten. Später gab es dazu das erste Strafrecht: Todesstrafe gar drohte denjenigen, die den Landfrieden, der nun auf immer mehr Wochentage ausgedehnt wurde, verletzten. Zur Überwachung des Friedens gab es extra Truppen - die Geburtsstunde der Polizei. Fast fünfhundert Jahre funktionierte dieses Selbstbefriedungssystem in den Staaten des Reiches mehr schlecht als recht - bis 1495 Maximilian I. auf den entscheidenden Trick kam: Damit der Frieden »ewig« würde, brauchte er eine zentrale Macht, die das Recht des Friedens auch gegen den Willen der streitlustigen Fürsten durchsetzte.
    Das Gericht in Speyer, später in Wetzlar hielt sich trotz aller

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