Der globale Polizeistaat
werden an die immer enger werdenden Bedingungen eines »Friedens« geknüpft, den keiner mehr halten kann. Stattdessen greift die vorneuzeitliche Idee wieder Raum, dass Frieden mit Gewalt zu erzielen sei. Frieden durch Krieg: Das ist die zynische Umkehrung der Ordnung des Ewigen Landfriedens, wie wir sie erleben, seit der »Krieg gegen den Terror« ausgerufen wurde, seit die Vereinigten Staaten wie einst die Kreuzzügler gegen die »Achse des Bösen« antraten, Menschen verschleppten und fremde Länder mit Gewalt und
Verheerung überzogen. Frieden durch Krieg: Das ist die Sicherheitsphilosophie, mit der Nato-Truppen sich ermächtigt sehen, am anderen Ende der Welt »Risiken« militärisch zu bekämpfen, weil die eines Tages in einem Europäischen Land zu Rechtsbrüchen führen könnten.
Die atavistische Weltgewaltordnung infiziert schließlich die inneren Rechtsordnungen der Staaten. Für den deutschen Innenminister ist »mittlerweile von allen Fachleuten anerkannt«, dass es zwischen innerer und äußerer Sicherheit keinen Unterschied mehr gibt. Entgrenzt wird damit nicht nur der Zuständigkeitsbereich des Innenministers, entgrenzt wird die staatliche Souveränität und der von ihr garantierte Rechtsstaat. Und wo es keine Grenzen gibt, gibt es kein Recht. Der deutsche Innenminister wird Teil eines Welt-Polizeireichs, das - wie einst das Heilige Römische Reich Deutscher Nation - keine Zentrale hat, sondern nur mehr oder weniger größenwahnsinnige Machthaber. Krieg und Frieden sind nicht mehr zu trennen. Und kein Kammergericht weit und breit. Ist dies das Ende der Geschichte von Frieden durch Recht?
Zweites Kapitel
Innen und außen
»Die innere und die äußere Sicherheit sind nicht mehr zu trennen«: Mit diesem Satz ist die Welt aus den Fugen zu heben. Wenn der deutsche Innenminister mit dieser Behauptung recht hat, sind staatliche Grenzen überflüssig, und rechtliche Grenzen in der Folge auch. Dann steht es in unserem Belieben, Bürger als Feinde auszuzeichnen und statt Recht zu üben Krieg zu führen. Wenn der deutsche Innenminister recht hat, wären Krieg und Frieden weltweit nicht mehr auseinanderzuhalten.
Er hat aber nicht recht.
Um das zu zeigen, gehen wir abermals zurück in die ruhmreiche Geschichte des Wasunger Krieges. Wofür ist denn der arme Leutnant Zimmermann gefallen? Für den Herzog? Für Sachsen-Meiningen? Er ist überhaupt nicht gefallen, er ist im Dienst verunglückt beim Versuch, die Rechtsdurchsetzung zu behindern. Der Herzog, wenn er denn mal da gewesen wäre, hätte dem toten Soldaten gleichwohl einen postumen Orden verliehen: Er starb, aus seiner Sicht, bei der Abwehr eines Angriffs auf die Unversehrtheit des Herzogtums Meiningen und der Souveränität des Herzogs.
Galt der Wasunger Krieg der inneren oder der äußeren Sicherheit? Innen und außen, so scheint es, kann man viel leichter verwechseln als rechts und links. Das heißt aber nicht, dass es keine klaren Unterschiede gebe.
Die innere Sicherheit ist die Unversehrtheit aller rechtmäßig eingesetzten Institutionen, Rechte und Rechtsvorschriften innerhalb einer Rechtsordnung. Das Wort »innen« stammt daher, dass diese Rechtsordnung normalerweise eine staatliche ist - und ein Staat herkömmlich ein territorial begrenztes Gebilde. Es hat aber ebenso Sinn, von der »inneren Sicherheit«
etwa einer Selbstverwaltungskörperschaft wie einer Universität zu sprechen, die zwar eine abgeschlossene Rechtsordnung darstellt, aber nicht notwendig auf einen territorialen Fleck bezogen ist. Zwar ging es im Fall der eingekerkerten Frau von Gleichen nicht um die Rechtsordnung des Herzogtums Sachsen-Meiningen, und darauf wies der wütende Herzog den Gerichtsvollzieher auch hin, indem er sagte, er habe nichts Unrechtes getan, er habe mit der Inhaftierung der Widerspenstigen nur »sächsisches Recht angewendet«. Aber, das war der Trick, der Ewige Landfrieden begründete höheres Recht, durchgesetzt von einer höheren Instanz. Innerhalb dieser Rechtsordnung war aber die Befreiung der Frau angeordnet worden. Es ging also um eine Affäre der inneren Sicherheit.
Innere Sicherheit entsteht durch Verrechtlichung: Alles, was nicht mehr der nackten Gewalt des Krieges, sondern der organisierten Rechtlichkeit unterliegt, ist »innen«. Derjenige, der den Rahmen setzt, überwacht auch seine Einhaltung - dann herrscht innen Sicherheit. So entstand mit der Verkündung des Ewigen Landfriedens ein europäischer Raum der inneren Sicherheit und des Rechts.
Ein
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