Der globale Polizeistaat
bisschen Klarheit schafft Frieden: Wenn wir genau wissen, was innere Sicherheit ist, werden die Grenzen zwischen Krieg und Frieden klarer: Gewalt des Garanten der inneren Sicherheit zur Durchsetzung »seines« Rechts ist friedensstiftende Polizeiarbeit, Gewalt, die anderen Zwecken dient, findet »draußen« statt, im Dschungel: Da ist Krieg.
Der äußeren Sicherheit dienen Bemühungen der Gewalthaber eines Rechtssystems, die nicht der Durchsetzung eben dieses Systems dienen. Was für Bemühungen können das sein?
Gefahren vom ganzen System »als solchem« abzuwenden. Das ist eine verbreitete Antwort. Sie liegt auch nahe, weil sie sich mit der üblichen Kriegsrhetorik nicht nur im Herzogtum Sachsen-Meiningen deckt, die den Tod im Krieg als gewaltsamen Kampf für die äußere Sicherheit als Opfer für das »Ganze« deklariert, heißt es nun Vaterland oder Nation oder westliche Freiheitsordnung.
Doch diese Begrifflichkeit, so eindrucksvoll und ordensträchtig sie sein mag, führt in die Irre. Denn wie erkenne ich eine »Gefahr fürs Ganze«?
Traditionell war das natürlich nicht schwer: Ein Eroberer, der einem Staat den Krieg erklärt, will ans »Ganze«. Er will, wie dies die amerikanische Soziologin Saskia Sassen ausdrückt 3 , die spezielle Zuordnung von Territorium, Rechtsordnung und Autorität verändern - und zwar in der Regel zu seinen Gunsten. Auch ohne Kriegserklärung konnte diese Absicht, wie Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg mörderisch deutlich machte, ohne Weiteres erkennbar sein. Doch das beklagte Zerfließen der inneren mit der äußeren Sicherheit wird ja gerade damit begründet, dass die großen Bösewichter der Gegenwart ihre Absichten, so weit sie denn welche haben, nicht mehr deutlich machen, sondern durch Gewalttaten handeln, die deutungsbedürftig sind: Ist das nun ein Angriff auf die innere oder die äußere Sicherheit?
In dieser Not sind Deutungsregeln entwickelt worden, deren Gefährlichkeit wir in den vorangegangen Kapiteln kennengelernt haben. Es komme darauf an, so ist eine verbreitete Ansicht, ob der Täter sich außerhalb der Rechtsordnung stelle und diese quasi von außen angreife und so als Ganzes bekämpfe. 4 In die gleiche Richtung zielen Überlegungen, den Feind der äußeren Sicherheit vom inneren Rechtsbrecher durch dessen »politische« Motivation abzugrenzen - dies geschieht gern in Anlehnung an Carl Schmitts Theorie des Partisanen. Hier wird der Kämpfer für eine fremde (Rechts-)Ordnung dem um sich schlagenden Michael Kohlhaas als Feind der inneren Rechtsordnung gegenüberstellt. 5 Ähnlich auch der Vorschlag Herfried Münklers, der von »politischen Akteuren« 6 spricht - so, als wäre das Mitglied einer rabiaten Bürgerinitiative ein feindlicher Krieger. All diese Deutungsregeln haben für die Betroffenen katastrophale Folgen: Kommt der Gewalthaber zu dem Ergebnis, dass nicht die innere, sondern die äußere Sicherheit bedroht sei, dass es also ums Ganze gehe, kann es dem Betroffenen passieren, dass er all seiner Grundrechte und Menschenrechte verlustig geht, dass er
inhaftiert oder sogar getötet wird. Wir haben oben 7 Franz Kafkas Josef K. bemüht, um die Katastrophe zu beleuchten, die es für einen Menschen bedeutet, zum Feind erklärt zu werden.
Wer einem Menschen solches zumutet, muss sich seiner Sache zumindest sehr sicher sein können. Doch gerade daran mangelt es bei den erwähnten Unterscheidungsvorschlägen. Einem uniformierten Soldaten lässt sich ohne Weiteres ansehen, ob er Freund oder Feind ist. Das Feindbild der sogenannten asymmetrischen Kriege ist weitaus vager. Denn überall, wo der Staat gegen nicht staatliche Gewaltkräfte antritt, lassen sich Beteiligte nur schwer in Rechtsbrecher und Rechtstreue einerseits, Feinde andererseits aufteilen. Selbst im manifesten Krieg, wie ihn Israel zu Jahresbeginn 2009 gegen die Hamas-Bewegung im Gazastreifen führte, ist Streit entstanden, ob die uniformierten israelischen Soldaten nicht bei ihren Angriffen auf die Bevölkerung in den Städten und Dörfern Gazas die Falschen getroffen haben - auch im Krieg ist das, wenn es mutwillig geschieht, ein Verbrechen. Wie viel schwerer wird die Trennung von Feinden und Nichtfeinden erst, wenn es, wie im Kampf gegen den Terror, um die Abwehr nicht manifester, sondern künftiger Übergriffe geht? Wenn das Vorgehen gegen den Terror sich auf Verdacht gründet, schlimmer noch, auf der Möglichkeit eines Geschehens, sogar, wie wir oben zeigten 8 , auf böse Absicht oder innere
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