Der globale Polizeistaat
des Terrorismus verharmlosen und auch nicht die Opfer beleidigen, die unter der Gewalt dieser Verbrecherbanden ihr Leben verloren. Aber es ist geeignet, zu zeigen, wie schnell sich der bitterernste Krieg gegen den Terrorismus ins Beliebige ausweiten kann.
»Märtyrer für Deutschland«
Wie groß ist die Bedrohung? - Ein Zehn-Kilotonnen-Atom-
bomben-Missverständnis - Das Gefühl, dass man nichts weiß -
Was Abteilungsleiter fürchten - Raufaser oder Blümchen
Die Frage, ist es vernünftig, im weltweiten Gewusel der Phantasyspiele nach den Plänen für den nächsten Terroranschlag zu suchen, wagt niemand mehr zu stellen. Denn: Wenn es wirklich knallen sollte - und möglich ist es ja -, wird eine unnachsichtige Öffentlichkeit, voran die ganze Meute der investigativen Journalisten nur der einen Frage hinterherhecheln: Wer ist zu beschuldigen, etwas versäumt zu haben? So ist es für jeden Politiker, für jeden Geheimdienstchef, für jeden Polizeiabteilungsleiter, letztlich
für jeden Dorfpolizisten das Sicherste, alles zu tun, was möglich ist. Jeder kann nur gewinnen: Wenn sich die Eventualität zur Gewissheit, gar zur Katastrophe verdichtet, kann der Vorsorger mit einem Orden rechnen. Er hat ja alles versucht, die Katastrophe abzuwenden. Erweist sich die Jagd nach dem Möglichen aber als Haschen nach Wind, ist es zumindest auch, na wem wohl, dem Vorsorger zu verdanken, dass nichts passiert ist.
Dieser Logik folgend spielen immer mehr Schlapphüte bei WoW mit und machen das auch bekannt. Nun wissen alle großen Jungen, dass sie nicht allein sind in der wilden World of Warcraft , und Muttis werden sagen: »Kind, pass auf mit den Terroristen im Netz!« Umerziehung zur Angst, warnt der britische Schriftsteller John Berger, sei ein Instrument unkontrollierter Macht.
Polemik? Tatsächlich weiß man nicht so genau, wer Täter und wer Opfer der Politik der Verängstigung ist. Sind die Geheimdienstagenten der Supermacht so naiv oder so verschlagen? Was ist mit der Zehn-Kilotonnen-Atombombe, die exakt einen Monat nach dem 11.September 2001 angeblich in New York versteckt auf ihre Explosion wartete? Der damalige CIA-Chef George Tenet hatte es aus angeblich zuverlässiger Quelle und alarmierte pflichtbewusst den Präsidenten George W. Bush. Bush, nicht minder pflichtbewusst, schickte seinen Vize Dick Cheney in den atomsicheren Präsidentenbunker, damit wenigstens einer das Ende der Vereinigten Staaten überlebe, und alarmierte das eigens für solche Fälle geschaffene Nuclear Emergency Support Team , in New York die Bombe zu suchen, die angeblich aus russischen Beständen immerhin fast die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe haben sollte.
Die Bombe ist bis heute nicht aufgetaucht. Aber denkbar war es immerhin, dass die Quellen recht hatten. Möglich war es, dass wirklich eine Bombe in New York versteckt war. Und wieso eigentlich »war«? Ist es nicht möglich, dass sie immer noch irgendwo versteckt ist, dass nur der Zeitzünder nicht funktioniert hat, wie schon oft bei Terroranschlägen? Ist es nicht möglich, dass der Zeitzünder gar nicht defekt, sondern auf den 11. 9. 2011
eingestellt ist - zum zehnjährigen Jubiläum. Warum erscheint uns zynisch, wer so etwas aufschreibt? Möglich ist möglich.
Der Terrorismus hat die Unterscheidung außer Kraft gesetzt, die bis dahin die Arbeit der Sicherheitskräfte in allen rational regierten Staaten der Welt bestimmte und mäßigte: Die Unterscheidung zwischen dem nur Möglichen und dem Wahrscheinlichen. Diese Unterscheidung in ihrer fundamentalen Bedeutung für den Rechtsstaat wird uns noch ausführlich beschäftigen. Hier soll es um die Folgen der Begriffsverwirrung im Hinblick auf die Angst der Bürger gehen. Was den Menschen Sorge macht, wird von ihrem Staat traditionell als »Gefahr« behandelt, als rational nachvollziehbare Besorgnis, dass etwas Schlimmes passiert. Dieser Besorgnis liegt eine gewisse Wahrscheinlichkeit zugrunde. Unter Wahrscheinlichkeit verstehen Menschen Unterschiedliches. Jede Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in der Zukunft verlangt jedenfalls eine Prognose. Und eine Prognose ist keine Hellseherei, sondern ein logischer Schluss von gewissen Tatsachenaussagen auf Aussagen über künftige Tatsachen. Das bedeutet: Ohne Hinweis auf konkrete Anhaltspunkte lässt sich keine rationale Aussage über Terrorangriffe in der Zukunft machen, psychologisch gesprochen: Wer nichts weiß, kann sich auch keine Sorgen machen. Ohne Anhaltspunkte keine
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