Der globale Polizeistaat
Gefahr. Wer trotzdem herumunkt, kann sich nur auf die »Möglichkeit« eines künftigen Ereignisses beziehen. Aussagen über Mögliches lassen sich treffen ohne Bezug auf die Realitäten der Gegenwart. Einzige Bedingung: Es darf nichts bekannt sein, was das vorherzusagende Ereignis mit den Aussagen, die wir meinen über die Realität treffen zu können, unvereinbar macht. Aussagen über das Mögliche sind also überhaupt keine Aussagen über die Zukunft, sondern lediglich Aussagen über die Vereinbarkeit von Annahmen mit der Logik. Logisch, dass man sich aufgrund solcher Aussagen keine Sorgen zu machen braucht. Intuitiv ist das ohne Weiteres nachvollziehbar: Anerkanntermaßen ist es möglich, dass der Leser vom Blitz erschlagen wird. Darüber wird er sich, vor allem bei schönem Wetter,
aber keine Sorgen machen. Möglicher als möglich gibt es nicht. Daher sind Gegenbeispiele, in denen sich der Leser gleichwohl Sorgen machen sollte, unzulässig.
Ist es zulässig, eine Erörterung über Sicherheitspolitik mit logischen Erörterungen zu belasten? Es ist notwendig. Nur so lässt sich erahnen, was es mit der Angst vor dem Terror auf sich hat. Wenn das Wissen um konkrete Anhaltspunkte für ein Ereignis uns zu Sorgen berechtigt, dann bleibt nämlich die Frage, wie man denn das ungute Gefühl nennen könnte, das einen gerade dann überkommt, wenn man nichts weiß. Das Wort für dieses Gefühl ist »Angst«. Angst nennen wir die Beklemmung des nicht Wissens. Dies beschreibt ganz gut die Situation, in der die Mitglieder einer Gesellschaft sind, die mit Terrorwarnungen ihrer Regierung konfrontiert werden.
Muss man Angst haben vor dem Terrorismus? Die Frage, wörtlich genommen, lässt keine rationale Antwort zu. Natürlich DARF jemand Angst haben, denn Angst ist ein innerer Vorgang, der sich der Regulierung entzieht. Ebenso wenig gibt es die Möglichkeit, jemandem, der furchtlos ist, vorzuschreiben, er solle endlich ein bisschen Angst haben. Verstehen wir aber die Frage, ob wir Angst haben müssen vor dem Terrorismus, als Frage danach, ob rationale Gründe vorliegen, ein erhöhtes Maß an Wahrscheinlichkeit für einen demnächst bevorstehenden Terrorangriff zu konstatieren, werden wir in der Regel verneinen müssen. Wir hören ja auch von Geheimdienstexperten immer nur, was möglich sei. Auch wenn es konkret klingt, bleibt es doch viel zu vage, um sich im hier definierten Sinn Sorgen zu machen. Hören wir, was der oberste Chef der deutschen Antisorgentruppe zu sagen hat: »Die größte Sorge aller Sicherheitskräfte ist, dass innerhalb des terroristischen Netzwerkes ein Anschlag mit nuklearem Material vorbereitet werden könnte.« So reden sie meistens: Es geht mit einer »Sorge« los. Das klingt zunächst tatsächlich besorgniserregend, und dann klappert zum Schluss ein kleines »könnte« nach, das alles wieder vernichtet - und zwar gleich doppelt. Legt man die Worte des Ministers Schäuble auf
die Goldwaage der Logik, dann ist »könnte« der Eventualfall von »können«. Können aber bezeichnet die Situation der Möglichkeit, nicht der Wahrscheinlichkeit. »Könnte« bezeichnet eine eventuelle Möglichkeit, da diese Eventualität unkonditioniert ist, ist es ebenfalls die reine Möglichkeit, die damit bezeichnet wird. Also haben wir es nach Ansicht des Ministers mit der Möglichkeit einer Möglichkeit der Vorbereitung eines Anschlags zu tun. Auch nicht gut - aber sollen wir uns deswegen wirklich Sorgen machen?
Man darf davon ausgehen, dass der Minister, sollte er diese Analyse seiner Aussage wirklich lesen, empört einwenden wird, er habe nicht die Zeit, jedes seiner Worte so genau abzuwägen.
Das muss man ihm vielleicht sogar zugestehen. Doch was geht in dem Leser der Welt vor, der als Überschrift über besagtem Zitat liest: »Schäuble warnt vor Anschlägen mit Atomwaffen.« So entsteht Angst.
Das ungute Gefühl des nicht Wissens, die Angst, entsteht nicht aus dem Nichts. Sie wird genährt durch Informationen, die zwar nicht das Wissen an die Stelle des nicht Wissens setzen, aber dennoch die Beklemmung vergrößern. Angst vor dem Feind zu machen und damit den Durchhaltewillen seiner Leute anzustacheln, ist eine Kriegstechnik, die schon den Dreißigjährigen Krieg geprägt hat - und den Zweiten Weltkrieg nicht minder. Die Sicherheitsstrategen Europas wie Amerikas nutzen dieses Mittel der Angstmache gegen den Terrorismus offensiv. Drei große Institute mit wissenschaftlichem Anstrich und klingenden Namen hat die
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