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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Souverän, der nicht nach dem Gesetz, sondern in freier Souveränität entscheide. Feind ist Feind und Krieg ist Krieg. Dass Schmitts Feind-Theorien heute wieder beachtet werden, liegt daran, dass sie für die aktuelle Problematik gut zu passen scheinen. Der Terrorist ist tatsächlich ein Feind, der sich mit den Instrumenten, über die der Rechtsstaat verfügt, nur schwer fassen lässt. Wie ein Kommentar zu Schmitts Thesen wirkt der Versuch einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen, den Begriff des Terrorismus in ein Bündel objektiver Kriterien zu fassen. Die Experten
quälen sich nun schon seit Jahren. Es gelingt nicht - jeder hat seine eigene Auffassung von »wahren« Terroristen. Carl Schmitt könnte triumphieren: Wer Feind ist, bestimmt jeder für sich.
    Der Feind lebt offenbar, und wer als Feind identifiziert ist, muss damit rechnen, dass der Staat bedingungslos, also nicht als Rechtsstaat, sondern als totaler Staat, reagiert. Die Konsequenzen für die praktische Terrorbekämpfung lesen sich dann so: »Wenn bei der Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisse nicht geklärt ist, ob die Polizeien der Länder und des Bundes in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, darf die Bundesregierung die wirksamsten Kräfte, gegebenenfalls auch die Streitkräfte einsetzen. Es kann nicht angehen, dass bei einer unklaren Lagebeurteilung zunächst Polizeikräfte gegen einen möglicherweise waffentechnisch überlegenen Angreifer eingesetzt werden.«
    Wer so über Terrorismusbekämpfung schreibt, der schießt auch. Dabei handelt es sich um einen als eher liberal bekannten Politiker: Die Ausführungen stammen vom SPD-Abgeordneten und Innenexperten Dieter Wiefelspütz. 13 Sie zeigen beispielhaft die Schmitt’sche Versuchung: Wer den Feind fixiert, nimmt für sich die Vollmachten des Ausnahmezustandes in Anspruch.
    Wer vom Feind spricht, spielt mit dem Feuer. Doch die Gefährlichkeit des Begriffes darf uns nicht daran hindern, das Phänomen genau zu analysieren: Tatsächlich bringt ja der berechtigte Wunsch, dem unheimlichen Bösen zu begegnen, jeden präzise denkenden Rechtsstaatsjuristen in Verlegenheit. Der moderne Feind zeichnet sich dadurch aus, dass er das überkommene staatliche Denken in drei Dimensionen durcheinanderbringt: Seine Bedrohung entzieht sich den Kriterien für staatliches Reagieren nach Polizeirecht oder Strafrecht; er ist zugleich Kriegsgegner und Rechtsbrecher; er tritt zugleich als Unterworfener und als Konkurrent des staatlichen Gewaltmonopols auf.
    Was das für den staatlichen Kampf gegen den Terrorismus bedeutet, soll nun genauer untersucht werden.

»Die öffentliche Sicherheit der ganzen Welt«
    Verunsicherung, erste Dimension - Sie werden schon sehen -
Ermutigung für Märtyrer - Ein Staatsanwalt kommt zu spät
     
    Die erste Dimension staatlichen Handelns besteht in der Wächterfunktion des Staates für die innere Sicherheit. Die innere Sicherheit ist gesetzlich in zwei große Kapitel geteilt, das Polizeirecht und das Strafrecht. Wo das Kapitel Polizeirecht endet und das Kapitel Strafrecht beginnt, muss man sich ein dickes Kreuz vorstellen. Dieses Kreuz markiert das Unheil: Es kann ein Sachschaden sein, ein Verbrechen, ein zerstörter Wert, ein Rechtsgut wie etwa die Ehre, ein Terrorakt, es kann durch unglückliche Umstände ausgelöst werden, wie etwa der Zusammenbruch eines Hauses oder einer Bank, oder durch zielgerichtetes kriminelles Handeln - egal: Im Zeitraum bis zu dem Kreuz gilt Polizeirecht, hinterher gilt, wenn es sich um etwas Strafbares handelt, Strafrecht. Vorher spricht man von »Gefahrenabwehr«, hinterher von »Strafverfolgung«.
    Der inneren Sicherheit dient beides. Für die Gefahrenabwehr ist das evident, denn wenn die Polizei, die Ordnungsbehörden oder die Geheimdienste aufgrund ihrer polizeirechtlichen Befugnisnormen den Eintritt jener mit dem Kreuz markierten Situation zu verhindern suchen, gibt es weniger Schäden oder Verbrechen, erhebliche Werte werden gerettet, möglicherweise sogar Menschenleben. Für die Strafverfolgung ist es etwas komplizierter, denn die Strafe folgt ja erst, nachdem das Kreuz bereits gemacht wurde, sie folgt der Tat - die nicht notwendig ein zielgerichtetes infames Werk sein muss, sondern ebenso ein furchtbares Unglück sein kann, ausgelöst durch ebenfalls strafbare Fahrlässigkeit. Strafe kann also das Unheil, das Anlass zu ihrer Verhängung war, nicht mehr verhindern, ihr Zweck liegt vielmehr darin, künftiges Unheil dieser Art zu verhindern, etwa

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