Der globale Polizeistaat
sich in einem bekannten Rahmen von Gut und Böse, von Liebe und Hass ab - und letztlich ist es ja auch dem damaligen BKA-Chef Horst Herold mit der Kraft der elektronischen Datenverarbeitung gelungen, den Krieg gegen Gudrun Ensslin und ihre Bande zu gewinnen. Die böse Ensslin war berechenbar. Doch was, wenn in Neu-Ulm plötzlich die atavistischen Ideale des Märtyrertodes Raum greifen? Lange gab es um Ulm herum, ja in ganz Europa für Sicherheitsstrategen die sichere Ausgangslage, dass auch Terroristen nicht gerne sterben. Dieses Kalkül war der Maßstab etwa für die jahrzehntelange Praxis, Flugzeuggepäck im Frachtraum für unbedenklich zu halten, solange der es aufgegeben hat, sich an Bord des Flugzeuges befindet: Etwaige Höllenmaschinen im Koffer hätten, wenn sie während des Fluges explodierten, auch des Täters Leben gekostet. Seit Selbstmordattentäter in die Welt ausgeschwärmt sind, denen das Sterben süß ist, müssen auch alle aufgegebenen Koffer kontrolliert werden. Weil westliche Denker es nie ganz verstehen werden, was in den Köpfen und in den Herzen solcher Leute vorgeht, ist letztlich kein Verantwortlicher wirklich hellhörig geworden, als vor dem 11. September durchsickerte, dass irgendein verrückter Flugschüler aus Arabien das Fliegen einer Boeing erlernen wolle, aber nicht daran interessiert sei, wie man die Maschine wieder sicher landet.
»Eine kleine schmutzige Bombe«
Lagerfeuergeschichten - Ein Atomkontrolleur betet - Das hohe
Gefühl der Unsicherheit - Baby an Bord - Wie im Krieg
Muss man Angst vor dem Terrorismus haben? Es ist, das kann man nicht bestreiten, das Spezifikum der neuen Art der Bedrohung, dass sich die Sorge, die sie auslöst, nicht rational diskutieren
lässt; dass sie stets nur eine vage Beklemmung verursacht. Derjenige aber, der die Sorge äußert, muss lediglich ein wenig Gratismut an den Tag legen: »Der islamistische Terror kann grundsätzlich überall und jederzeit zuschlagen, auch in und gegen Deutschland.« Der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) Ernst Uhrlau hätte sein Geld nicht verdient, wenn er solche Sätze nicht sagen würde. Und man darf ihm das in der Aussage steckende Bekenntnis, dass er eigentlich nichts weiß, sondern nur über das Mögliche redet, nicht verübeln. Denn hätte auch nur irgendwo auf der Welt ein Sicherheitsbeamter des global vernetzten Terrorabwehrsystems genügend Anhaltspunkte, um eine konkrete Prognose abzugeben über den nächsten Terroranschlag, dann dürfte er nicht reden - dann müsste er handeln.
Über den nächsten Terroranschlag ist nichts bekannt. Diese einfache Wahrheit können Geheimdienstler natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Als Beleg dafür, dass es ja doch Anhaltspunkte für das bevorstehende Unheil gibt, gilt in der Gemeinde der Terrorismusexperten ein Lagerfeuer nahe Kandahar in Afghanistan. Da saßen in der Wildnis am Hindukusch eines Nachts im August 2001 dunkle Gestalten und beugten sich über Pläne, die, nur spärlich beleuchtet von den flackernden Flammen in ihrer Mitte, Einzelheiten über den Bau einer Atombombe enthielten. Die Berechnungen, Skizzen und Erklärungen stammten aus den Panzerschränken des pakistanischen Atomprogramms. Die Interessenten am Lagerfeuer waren Mitglieder von Umma Tameere-Nau, einem dubiosen islamischen Hilfswerk, unter ihnen der mögliche Käufer der explosiven Informationen, Osama Bin Laden himself.
Die Lagerfeuergeschichte im Indikativ wurde nach dem 11. September 2001 von George Tenet verbreitet, dem CIA-Chef, dem auch der Atombombenalarm in New York zu verdanken ist. Obwohl sie obskuren Quellen entspringt, ist ihr eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen: Tatsächlich haben Wissenschaftler der Atommacht Pakistan ihre Technologie illegal an mehrere
arabische Staaten verkauft, unter ihnen angeblich auch Terrorfinanziers wie Iran. Zwei Mal musste zudem Pakistans Regierung schon zugeben, dass ihr Ausrüstungsgegenstände aus dem Atomprogramm abhanden gekommen sind. Warum also sollte die Bombengeschichte nicht stimmen und Al Kaida tatsächlich ein nukleares Attentat vorbereiten? Die Berichte vom Lagerfeuer am Hindukusch machen denn auch bei der Nato in Brüssel Eindruck. Michael Rühle, einer der Vordenker beim Nato-Planungsstab, meint, dass diese Informationen »eine Neubewertung der Problembereiche Islamismus und Nuklearwaffen geradezu erzwingen«. Es wäre »unverantwortlich«, so der Experte, »den Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch islamische
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