Der globale Polizeistaat
durch Abschreckung von künftigen Tätern, ebenso durch Sicherung und möglicherweise sogar Besserung des Verurteilten.
Selbst die häufig noch als Zweck der Strafe akzeptierte Sühne dient indirekt der inneren Sicherheit, weil sie den Opfern oder ihren Angehörigen Genugtuung verschaffen und Rachsucht - das schleichende Gift für jede geordnete staatliche Organisation - Einhalt gebieten soll.
Dies alles muss man sich in Erinnerung rufen, um einen Eindruck davon zu bekommen, warum der Staat vom Terrorismus derart überfordert ist. Zumindest das Strafrecht scheint als Instrument im Krieg gegen den Terror schon deshalb ungeeignet, weil es zu spät kommt. Erst nach dem Terrorakt setzt seine Wirkung ein, und dies ist unverantwortlich angesichts einer Bedrohung, die Zuwarten auf vollendete Tatsachen verbietet. Terroristen, die möglicherweise über Massenvernichtungswaffen verfügen, »müssen nur einmal erfolgreich sein«, warnt Michael Ignatieff, der kanadische Bürgerrechtspolitiker. Nicht anders sieht es Kanzlerin Angela Merkel, die darauf hinweist, dass wir »es uns nicht mehr leisten können abzuwarten, bis ein Verbrechen wirklich geschehen ist«. Damit fällt aber ein Grundpfeiler des zivilen Sicherheitsrechts in sich zusammen - die über Jahrhunderte erprobte Erkenntnis, dass wir es uns leisten können abzuwarten, bis ein Unrecht begangen wurde, weil die sicheren Konsequenzen unsere Rechtsordnung und damit die innere Sicherheit »bewähren« werden, wie der Jurist sagt. Der hehre Grundsatz, niedergelegt auch im deutschen Grundgesetz, dass niemand verfolgt werden darf, bevor er nicht nachweislich eine gesetzlich mit Strafe bedrohte Handlung schuldhaft begangen hat, basiert auf dieser noblen Zurückhaltung des Staates: Meine Herren Verbrecher, versuchen Sie’s nur, Sie werden schon sehen, was Sie davon haben. Das ist die Idee, die schon Immanuel Kant beschrieb: Der potenzielle Täter, sein potenzielles Opfer und die »Obrigkeit« befinden sich in einem »gemeinschaftlich gesetzlichen Zustande«, im »Ewigen Frieden«, wenn es auch über Details unterschiedliche Auffassungen gebe. Doch alles Hoffen auf die läuternde Wirkung der Strafe - »Sie werden schon sehen« - erscheint gemessen an dem, was Al Kaida-Terroristen auf dem Herzen haben, geradezu naiv.
Weder abschreckend noch bessernd wirken die härtesten Strafdrohungen - sondern, im Gegenteil, als Ermutigung für Märtyrer, ihr Unheil zu versuchen.
Der naheliegende Gedanke, im Kampf gegen den Terror auf das Instrument des Strafrechts lieber ganz zu verzichten, fällt andererseits schwer. Denn das Strafrecht verfügt über Werkzeuge der Strafprozessordnung, die an Schärfe unübertrefflich sind. Das gute Gefühl zum Beispiel, das jeder Polizeichef verbreiten kann, wenn er auf der Pressekonferenz nach der Festnahme eines mutmaßlichen Terrorgehilfen verkünden kann, der Mann sei nun in U-Haft: Eigentlich beruht es auf einem Etikettenschwindel. Vorläufig wegsperren kann man nur jemanden, der in dringendem Verdacht steht, etwas Verbrecherisches getan zu haben (also nach dem angekreuzten Zeitpunkt). Es muss also ein Staatsanwalt bei einem Richter eines konkreten Strafverfahrens einen Haftbefehl beantragt haben. Schiffbruch erlitten beispielsweise die Beamten des Düsseldorfer Landeskriminalamtes, die im September 2008 ein Flugzeug auf dem Rollfeld des Kölner Flughafens stoppten und zwei junge Männer aus der Maschine holten. Die Polizei, so hinterher die Begründung, habe verhindern wollen, dass die mutmaßlichen Mitglieder einer Terrorzelle in ein arabisches Land fliegen, um sich dort in einem Trainingslager das nötige terroristische Know-how zu holen. Nur - der Versuch, vom Flughafen Köln ins arabische Ausland zu fliegen, ist keine Straftat. Die jungen Leute konnten zwar vorläufig festgenommen werden, weil es etwas zu klären gab. Dann aber mussten die Beamten sie wieder laufen lassen: keine Haft ohne dringenden Straftatverdacht.
Seit die Bundesrepublik Deutschland mit dem Phänomen des Terrorismus - in der einen oder anderen Form - konfrontiert ist, hat es immer wieder Änderungen im Strafrecht gegeben, mit denen versucht wurde, dem Dilemma zu entkommen: durch das Kriminalisieren von Vorbereitungshandlungen. Der bekannteste Vorstoß ins Vorfeld des Terrors ist der des Paragrafen 129a StGB, der nicht nur zum Kriminellen erklärt, wer Mitglied einer Vereinigung wird, deren Zweck die künftige Begehung von Terror-akten
ist, sondern auch, wer so eine
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