Der globale Polizeistaat
kriegsrechtlichen Status des »Partisanen« die Ziele, die er verfolgt, gebilligt werden? Und wer soll diese politische Frage entscheiden?
Es ist heutzutage für den Westen recht einfach, die politische Frage politisch zu entscheiden: Partisanen, die einer auch völkerrechtlich geschützten »Freiheitsbewegung« angehören, werden als legitim anerkannt. Freiheitsbewegungen sind dabei solche, deren Mitglieder für die Verwirklichung von universell anerkannten Werten kämpfen wie Menschenrechte, Demokratie und Gerechtigkeit. Doch dabei geht es um Entscheidungen, die billig sind, weil sie meist Probleme betreffen, die sehr weit weg von unserem Problem sind: Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Probleme, die völkerrechtliche Situation durch ihre Anerkennung von Befreiungsbewegungen im fernen Afrika zu verändern. Schwieriger wird es schon bei den rebellischen Tibetern. Und die Anerkennung der Kosovaren in ihrem zweifellos auf die Verwirklichung von Menschenrechten und Freiheit gerichteten Kampf um die Sezession von Serbien hat weltweite Verwicklungen ausgelöst: Man greift nicht ungestraft in die Souveränität eines anderen Landes ein.
Doch was passiert völkerrechtlich, wenn die Vereinigten Staaten die Mitglieder des Al Kaida-Netzwerkes als Feinde betrachten? Ist das eine politische Entscheidung eines Souveräns, der sie zu »wirklichen« Feinden macht? Die Entscheidung des US-Präsidenten George W. Bush hätte dann über seine Amtszeit hinaus Bedeutung auch für die souveräne Bundesrepublik. Hat der »globale Krieg gegen den Terror« also auch Deutschland erfasst?
Kann des einen Feind des anderen Verbrecher sein? Kriegsrecht gilt für alle Staaten gleichermaßen. Des einen Feind kann des anderen Freund, aber nicht des anderen Verbrecher sein.
Noch komplizierter wird die Angelegenheit, wenn der Terror klar einem Gebiet zuzuordnen ist, das zum Souveränitätsbereich eines anderen Staates gehört. Schlägt der angegriffene Staat zurück, ist das ein Krieg gegen die Terroristen oder ein Krieg gegen den Staat, von dessen Gebiet aus sie agieren? So war es 2006 mit der Hisbollah im Libanon: Wie konnte sich Israel gegen die Raketen der Terrortruppe wehren, ohne zugleich den Staat Libanon anzugreifen, mit dem der angegriffene Staat ja in Frieden leben wollte? Libanons Regierung hätte, wenn das Westfälische Staatenmodell im Nahen Osten intakt wäre, die Hisbollah-Terroristen als Verbrecher verfolgen müssen. Doch diese Möglichkeit stand schon deshalb nicht zur Verfügung, weil die Hisbollah zugleich Vertreter in der Regierung hatte. Israel reagierte, indem es seine Militärs im Libanon gegen die Terroristen, nicht gegen den - ohnmächtigen - Staat einmarschieren ließ. War das nun Krieg oder nicht? Gleichgültig kann uns das schon deshalb nicht sein, weil alsbald deutsche Soldaten zu Hilfe gerufen wurden. Gleichgültig kann das natürlich auch der Regierung im Libanon nicht sein: Ist der Libanon nun souverän oder nicht?
Das Beispiel Hisbollah macht deutlich, wo der Trick in Carl Schmitts Denken liegt: in der Vertauschung von politischen und rechtlichen Begriffen. »Der Feind« bei Carl Schmitt ist eine politische Kennzeichnung, etwa so, wie wenn man - politisch unkorrekt - vom »Iwan« spricht und damit die politisch als Bedrohung empfundene Gesamtheit der Kräfte Russlands meint. Mit dem einzelnen Russen hat das aber so wenig zu tun wie die Bezeichnung »Hisbollah« mit dem einzelnen libanesischen Staatsbürger: »Hisbollah« meint eine politische Kraft, keine rechtliche Zuordnung der Tätereigenschaft zu einzelnen Menschen.
Gerade in Deutschland finden sich grauenvolle Beispiele dafür, was es bedeutet, ein auf eine abstrakte Gesamtheit bezogenes
politisches Urteil auf einzelne Menschenkinder herunterzubrechen. Bei den von Carl Schmitt zeitweise bejubelten Nationalsozialisten führten uralte diffuse Vorurteile über »das Judentum« zum Holocaust, weil die rassistische Ideologie ihre Feindschaft gegenüber einer (vermeintlich) politisch feindlichen Kraft auf die einzelnen Mitglieder einer abstammungsmäßig besonderen Gruppe übertrug - und damit Menschen zu Feinden machte. Das Menschenverachtende liegt nicht in dem dummen und unbegründeten Vorurteil über »das Judentum«, sondern in dem dann folgenden Vorgang, Menschen als Feinde zu behandeln.
Muss es wirklich erst so schlimm kommen, damit alte Wahrheiten des Westfälischen Friedens verstanden werden? Menschen sind keine Feinde, niemals. Natürlich steht es
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