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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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jedem Menschen frei, seinen Nachbarn als Feind zu betrachten - so lange er nicht die Konsequenzen draus zieht und dem Nachbarn etwas antut. Dann nämlich wird der Täter zum Verbrecher - nicht zum Feind. Es geht hier aber nicht um das Verhalten einzelner Menschen untereinander, sondern um das Verhalten des Staates. Und ein Staat braucht Menschen nicht zu Feinden zu erklären, er verfügt ja über die Staatsgewalt, sie ordentlich zu regieren. Der Umgang von Rechtsstaaten mit »Staatsfeinden« ist Beleg dafür, denn solche Feinde gibt es rechtlich gar nicht. Im »Staatsschutzrecht«, das ähnlich wie im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik in den meisten anderen Strafgesetzen existiert, werden Menschen, die gegen die Grundlagen des Staates agieren, als Spione behandelt, als Landesverräter, Volksverhetzer, als Beleidiger des Staates und seiner Hoheitszeichen - kurz, als Verbrecher. Das Recht des Staates zur Selbstbehauptung gegen seine inneren Gegner wird - auch wenn die Täter von außen agieren - dem Staatsanwalt anvertraut.
    Auch der Revolutionär beeinträchtigt den Staat nicht in seiner Souveränität, sondern erst die Revolution. Der Revolutionär ist mit allem, was er tut, den Strafgesetzen unterworfen, die Revolution hingegen veranlasst den Staat, die Kanonen auf den Feind zu richten. Das Völkerrecht sieht das ja nicht anders: Erst wenn eine
Freiheitsbewegung tatsächlich die Wucht erreicht hat, dass man ihr zutrauen kann, künftig die Staatsmacht zu übernehmen, wird sie auch als mit dem Staat konkurrierendes Subjekt betrachtet, die Bewegung als solche, nicht der einzelne Aufständische fordert den Staat heraus. Der einzelne Mitkämpfer bekommt dann den Status des Kombattanten - gleich einem Soldaten. Auch Soldaten, das dürfte nun klar sein, sind keine Feinde, sondern freiwillig oder gezwungenermaßen Handlanger des Feindes.
    Ob jemand ein Feind ist, so ist festzuhalten, ist eine Frage der politischen Zuschreibung. Ob jemand ein Verbrecher ist, ist Frage des Rechts. Und der Staat, der sich verpflichtet sieht, einzelnen Menschen gegenüber seine Macht in rechtlich geordneter Form auszuüben, kann sie nicht als Feinde behandeln. Verteidigt der Staat das Recht gegen das Unrecht, hat er zu den Mitteln des Strafgesetzbuches zu greifen, nicht Krieg zu führen.
    Mehr noch: Das moderne Völkerrecht verbietet es den Staaten auch, andere, gegnerische Staaten als Feinde zu behandeln, zumindest als Feinde im Carl Schmitt’schen Sinne. Die Konsequenz aus Feindschaft ist am Ende Krieg. Krieg aber ist nach der UN-Charta allen Staaten verboten - außer zur Verteidigung gegen einen Angriff (der dann notwendig ein rechtswidriger ist). Feindschaft hat nach Völkerrecht also objektive Voraussetzungen, einen Angriff nämlich, der eine gewisse Bedrohung darstellen muss. Dies ist eine tatsächliche, von Gerichten überprüfbare Voraussetzung. Und gemäß dem Rom-Statut von 2002, dem rechtlichen Fundament des Internationalen Strafgerichtshofes, soll der Verstoß gegen das allgemeine Verbot, jemanden ohne objektiven Grund als Feind zu behandeln, sogar ein Straftatbestand des Völkerstrafrechts werden. Es ist kurios: Während Staatsrechtler unter Berufung auf Carl Schmitt darüber diskutieren, unter welchen Voraussetzungen sie einzelne Verbrecher als Feinde betrachten dürfen, sind Völkerrechtler dabei, Feinde als Verbrecher zu brandmarken und damit der geordneten Rechtsverfolgung zuzuführen.
    Das Völkerrecht ist jedenfalls konträr zu Schmitts Feinddenken: Die Friedensordnung der Uno verlangt für die »wirkliche«
Feindschaft reale, rechtfertigende Gründe. Schmitt hingegen sieht als Voraussetzung allein die »politische« Zuschreibung durch einen Souverän, der frei über Freund und Feind zu entscheiden hat.
    Der Grund, warum sich Schmitts völkerrechtswidrige Lehren umso hartnäckiger halten, je komplizierter die Situation in der Welt souveräner Staaten wird, erschließt sich aus dem Gesagten ohne Weiteres: Es ist riskant und mühsam, das Vorliegen tatsächlicher Umstände abzuwarten und zu überprüfen. Nichts belegt das mehr als der Krieg der Vereinigten Staaten gegen den Irak. Der Befehl George W. Bushs, in Saddams Irak einzumarschieren, führte zu einem präventiven Schlag. Prävention im Völkerrecht ist aber gerade wegen des allgemeinen Gewaltverbotes so problematisch: Wann ist so ein präventiver Krieg zur Verteidigung gegen einen Angriff gerechtfertigt? 34 Weil der irakische Diktator - wie auch immer man es betrachtet

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