Der globale Polizeistaat
Bürger systematisch erfasst werden soll - das »Tangram-Programm«. Ziel: »Scheinbar normales Verhalten« von normalem Verhalten zu unterscheiden. Das unnormale Normale. Es ist auch ein Versuch der Quadratur des Rechtsstaates: Anlässe für obrigkeitliches Einschreiten zu formulieren, wo es keine Anlässe gibt.
Wohin ist ein solcher Staat unterwegs? Antworten gibt es in der Human Factors Division des Heimatschutzministeriums. Dort läuft das Projekt Hostile Intent . Und die Abteilungsleiterin Sharla Rausch erklärt es gern: Elektronische Augen werden hier darauf getrimmt, micro-expressions im Gesicht des Feindes zu erkennen. Micro-expressions sind Gesichtsausdrücke, die oft nur den Bruchteil einer Sekunde die Stirnfalte minimal bewegen - es kommt nicht nur darauf an, dies zu erkennen, sondern es auch zu lesen. Selbst hart gesottene Terroristen können, so die Vermutung, Minireflexe nicht vermeiden, wenn sie Böses planen. Die Fahnder brauchen nur auf solche micro facial lackages zu warten - und dann zuschlagen. Vierzig verschiedene Mikroregungen, an denen man den Feind erkennen kann, wollen die Menschenexperten der Division schon entdeckt haben - welche, wird natürlich nicht verraten.
Das Verteidigungsministerium hat einen Verbesserungsvorschlag: Die sensible Feinderkennungs-Software könnte noch durch cultural input optimiert werden. Damit meinen sie politisch korrekte Angaben über den kulturellen Hintergrund der fraglichen Personen. Wüsste beispielsweise die Kamera, dass der Gefilmte aus einer Diktatur kommt, so könnte sie in ihren Mikroprozessoren die entsprechenden micro-expressions differenzieren. Ergänzend empfehlen die Fahnder Fast , was die
Abkürzung für Future Attributable Screening Technology ist. Fast besteht aus einem Set von Sensoren, die auf Distanz in einer Menschenmenge, Transpiration, Herzschlag und Hauttemperatur jeder Person blitzschnell in terroristische Neigung umrechnen können.
Der Krieg gegen den Terror ist noch lange nicht auf seinem Höhepunkt angelangt.
Zweites Kapitel
Schäubles Gesetz
Wer hat Angst vor Eric Breininger? Das Leben des jungen Mannes hat doch ganz harmlos begonnen. Als Scheidungskind wuchs er mit Mutter und Schwester im saarländischen Neunkirchen auf. Nach der Schule besuchte er ein Berufsbildungszentrum, nahm einen Job als Paketbote an, um finanziell seinem Ziel, einer Ausbildung als Industriekaufmann, näher zu kommen.
Das langweilige Provinzleben nimmt eine ziemlich spannende Wendung, als der junge Mann Daniel Schneider kennenlernt, durch einen Paketboten-Kollegen. Daniel erzählt von Reisen nach Pakistan, dort war er in einem Lager, um den Heiligen Dschihad zu erlernen. Dschihad, wie geht das? Der junge Breininger hört vom Islam und der angeblichen Pflicht der Gläubigen, die Lehren des Propheten zu verbreiten, notfalls mit Gewalt. Breininger, gerade 19, ist so begeistert, dass er Moslem wird und sich künftig Abdul al-Gattar nennt. Die Handelsschule bricht er ab, kurz vor der Abschlussprüfung, er zieht zu Daniel in eine Bruchbude über einer Hinterhofmoschee.
Es dauert nur ein gutes Jahr, da hängt ein Fahndungsplakat mit einem Foto des verhinderten Industriekaufmanns an allen deutschen Flughäfen. Denn aus der Hinterhofwohnung in Saarbrücken ist Breininger längst ausgezogen, er reist nach Kairo, dann in den Iran, schließlich kommt auch er in einem Terroristenlager in Pakistan an. Die Verwandlung des braven Paketboten Breininger in einen potenziellen Massenmörder wurde offenbar von der Islamischen Jihad Union (IJU) organisiert, die ihre Heimat in Mir Ali, einem Ort in Nordwaziristan hat. Usbeken sollen den deutschen Zweig der Gewalt-Vereinigung in Ulm organisiert und nach Ansicht der Terrorismusexperten in Deutschland mittlerweile mehr Mitglieder als Al Kaida rekrutiert haben: Eine
Spinne im Netz der wahrhaft globalen Organisation gewalttätiger Frömmigkeit.
Die Spinne hat den netten kleinen Eric gefressen. Die Fahnder, die längst auf seiner Spur sind, verlieren ihn irgendwo in Pakistan aus den Augen, im März 2008 ist er das letzte Mal in Peschawar gesehen worden. Saarländische Verfassungsschützer wollen erfahren haben, dass er zurückkehren wolle in die Heimat, demnächst. Ein Grund zur Beunruhigung: Wer in einem Lager der IJU war, kommt nicht nach Deutschland, um seine Mutter zu besuchen, sondern um Schlimmeres zu unternehmen.
Angst vor Eric Breininger: Das Bundeskriminalamt bildet eine Sonderkommission, um einen möglichen
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