Der globale Polizeistaat
Der Spanienflug des deutschen Staatsbürgers Darkazanli, befand der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, werfe grundsätzliche Probleme auf, über die man in Ruhe reden müsse. Die einstweilige Anordnung rettete den Mann in letzter Minute vor einer Anklage in Madrid. Auch der deutsche Generalbundesanwalt konnte sich nicht entschließen, Mamoun Darkazanli vor Gericht zu stellen. So ist er im März 2009, mehr als vier Jahre nach dem dramatischen Nowshow in Berlin Tegel zum Ärger des BKA und der CIA, der spanischen Staatsanwaltschaft und der Europäischen Kommission noch immer frei.
Einer wie der Bürger Mamoun Darkazanli hat dem Rechtsstaat gerade noch gefehlt. Nach den Regeln, die das BKA an solche Leute legen möchte, ist er der ideale Kandidat für einen Onlineangriff auf seine Festplatte. Die Ermittler sind sich vollkommen sicher, dass der Kaufmann mit Wohnsitz und Ehefrau
in Hamburg-Uhlenhorst eng in die Anschläge vom 11. September 2001 verwickelt ist, dass er ebenso Kontakte zu der Islamistenzelle hatte, die am 11. März 2004 die tödlichen Bomben in Madrider Vorortzüge legte. Der globale Datenverbund bei der Verfolgung Verdächtiger brachte die CIA an Kontounterlagen, wonach Darkazanlis Ehefrau Gelder an den mutmaßlichen Chef eines afghanischen Camps überwiesen hat - Verwendungszweck »Familienhilfe«. Dann wieder soll der Geschäftsmann am Kauf eines Schiffes für die Terrorgruppe von Osama Bin Laden und seinen Stellvertreter Aiman al-Sawahiri beteiligt gewesen sein. Das Geld, wissen die Spanier, floss zum Teil über sein Konto bei der Deutschen Bank. Für ein Frankfurter Konto eines in Bayern schon 1998 verhafteten mutmaßlichen Bin Laden-Finanziers besaß Darkazanli eine Vollmacht. Zu Zeiten, als der Hamburger noch freiwillig nach Madrid reiste, übernachtete er gern in der Calle Pablo Neruda, in der Wohnung von Abu Dahdha. Abu Dadha ist der Aliasname eines mittlerweile zu 27 Jahren Haft verurteilten spanischen Terrordrahtziehers.
Erdrückend scheint die Beweislage gegen den Hamburger Syrer. Na und?, sagt der, dies alles sei nicht illegal, in Deutschland zumindest nicht strafbar. »Ich vermittle zum Beispiel Tinte für Drucker und Papier nach Syrien. Ich vermittle Lampen nach Jordanien und Autos nach Albanien.«
Lampen nach Jordanien, die Fahnder knirschen mit den Zähnen. Ausgerechnet so einer wird zum Testfall des deutschen Rechtsstaates. Das Bundesverfassungsgericht nahm den Fall Darkazanli tatsächlich zum Anlass, Grundsätzliches zum Umgang mit Terrorverdächtigen zu sagen. Der für die Entscheidung zuständige Richter Udo Di Fabio hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass der Versuch, die innere Sicherheit über die Staatsgrenzen hinweg auf europäischer oder gar globaler Ebene zu verfolgen, leicht in einem »Superstaat« enden könne, und in der Entrechtung der Bürger. Die »ununterbrochene Übertragung von Kompetenzen« auf Brüsseler Institutionen etwa führe zu einer »Austrocknung« der staatlichen Ordnung in den Mitgliedstaaten.
Irgendwann, so der hohe Richter, könne ein einzelner Staat wie Deutschland dann die Rechte, die Grundrechte seiner Bürger nicht mehr wirksam schützen, weil höhere Instanzen hineinregieren dürfen.
Di Fabios Kollegen haben mehrheitlich sein Votum im Fall Darkazanli unterschrieben. Der Versuch, den deutschen Staatsbürger wegen seiner dubiosen Geldgeschäfte an ein Land auszuliefern, das ihn allein deshalb bestrafen will, ist bedenklich und muss bis auf Weiteres unterbunden werden. Denn in Deutschland war damals, anders als in Spanien, die Finanzierung ausländischer Terrorvereinigungen, selbst wenn nachweisbar, nicht strafbar. Und mit dem Nachweis, den die Spanier ihrem Haftbefehl zugrunde gelegt hatten, konnte so mancher deutsche Verfechter einer strengen rechtsstaatlichen Ordnung seine Probleme haben: Das spanische Justizsystem gibt dem ermittelnden Richter umfassende Vollmachten, so heikle Maßnahmen wie das Abhören des Telefons selbst anzuordnen. Der spanische »Ermittlungsrichter« ist einem Staatsanwalt in Deutschland vergleichbar, der sich auch seine Haftbefehle selbst genehmigt. Entsprechend stützen sich spanische Haftbefehle, so auch der gegen Darkazanli, nahezu vollständig auf belauschte Telefonate. Die ausufernde Abhörpraxis führt in Spanien stets dann zu Problemen, wenn sich zum ersten Mal im Verfahrensgang, nämlich in der Hauptverhandlung, die Prozessrichter mit der Beweislage befassen. So musste im großen Terrorprozess gegen die
Weitere Kostenlose Bücher