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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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also genauso formalisieren wie die Prognose eines Schadensereignisses, sodass wir vereinfachen können: Der »Sofern«-Satz bezieht sich auf einen Zeitpunkt (Z1), an dem aufgrund aller als relevant erkannten Tatsachen (T1) ein Gefahr genanntes Ereignis (E1) mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad prognostiziert werden kann, das seinerseits zum Zeitpunkt (Z2) als Tatsachengrundlage (T2) betrachtet werden kann, die eine Prognose mit hinreichender Wahrscheinlichkeit des Schadensereignisses (E2) zulässt.
    Dies ist ein schwieriger Schluss. Es ist nämlich selten möglich, von Z1 aus zu beurteilen, was an Z2 als Tatsachengrundlage zur Verfügung steht. Es können im Zeitraum zwischen Z1 und Z2 jederzeit neue Informationen auftauchen, die den Schluss von Z2 auf E2 als unzulässig erkennen lassen. Beispielsweise entpuppt sich der vermeintliche »Gefährder« als Agent Provocateur eines anderen Geheimdienstes. Eine sinnvolle Aussage lässt sich nur für den Sonderfall anstellen, dass die »Hinweise« zu Z1 bereits so stark sind, dass sie eine gute Grundlage bilden, eine Aussage über die Möglichkeit des Auftretens von Informationen zum Zeitpunkt Z2 und damit über die dann mögliche Wahrscheinlichkeitsaussage über E2 zu treffen. Wem das alles überspitzt genau erscheint, der möge sich in Erinnerung rufen, dass es hier um die Voraussetzungen eines hochsensiblen Grundrechtseingriffs geht - und um die Überprüfung des Versprechens aus dem Innenministerium, Onlineangriffe seien nur unter den strengsten Voraussetzungen zugelassen.

    Nun weiter: Wenn der Sonderfall vorliegt, dass die »Hinweise« (T1) auf das Drohen einer Gefahr bereits eine Aussage über die Möglichkeit zulassen, zum Zeitpunkt (Z2) auf das Schadensereignis (E2) zu schließen, so lässt sich ebenso gut feststellen, dass zum Zeitpunkt Z1 bereits eine Aussage über die gewisse Wahrscheinlichkeit von E2 möglich ist. Eine Aussage über eine drohende Gefahr ist danach möglich, wenn (jetzt schon) eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses möglich ist. Vereinfacht: Eine drohende Gefahr ist eine Gefahr. Dies entspricht im Übrigen auch dem Sprachgebrauch des Polizeirechts, das nicht zwischen (tatsächlich vorliegenden) »Gefahren« und »drohenden Gefahren« unterscheidet. Eine drohende Gefahr und eine Gefahr ist im Polizeirecht und ebenso nach den Regeln der Logik dasselbe. Dies zugrunde gelegt, erlaubt Paragraf 20 k Onlineangriffe, »wenn eine Gefahr nicht vorliegt, sofern eine Gefahr vorliegt«. Das ist natürlich Unsinn.
    Möglichweise hilft allerdings die in Paragraf 20 k genannte Zusatzbedingung weiter, die von dem Fall ausgeht, dass ein Schadensereignis nicht »in näherer Zukunft« eintritt. Die Vorschrift hieße dann: wenn eine Gefahr sich nicht auf ein Schadensereignis in näherer Zukunft bezieht, reicht eine (allgemeine) Gefahr. Dies aber ergibt ebenfalls keinen Sinn. Denn dass das Vorliegen einer (allgemeinen) »Gefahr« ausreicht, Computerangriffe vorzunehmen, sieht die Vorschrift im selben Absatz an anderer Stelle ohnehin vor. Der »Sofern«-Satz will vielmehr, so lässt sich vermuten, von einer Bedingung befreien, die dem im Übrigen vorausgesetzten Gefahrbegriff innewohnt. Diese Bedingung bezieht sich offenbar darauf, dass der Zeitpunkt, an dem über »Hinweise« auf eine Gefahr geurteilt wird, also Z, sich zeitlich in gefahrbegriffwidriger Weise vom Schadensereignis wegbewegt. In unserer Rekonstruktion von oben würde also Z1 aus näher zu klärenden Gründen, weil er vor Z2 liegt, die Bedingungen an das Vorliegen einer Gefahr nicht erfüllen.
    Klärung könnte ein Blick in die Geschichte dieser problematischen Vorschrift bringen. Eine Journalistin und auch der
ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum erhoben 2007 Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz, die ebenfalls Onlinedurchsuchungen erlaubten. Von der Karlsruher Entscheidung, das war auch in Berlin klar, würde das Schicksal auch der in Arbeit befindlichen BKA-Ermächtigung abhängen. Das Bundesverfassungsgericht entschied im Februar 2008 relativ milde. 19 Unter gewissen Voraussetzungen sei ein Onlineangriff mit dem Grundgesetz vereinbar. Dermaßen massive Grundrechtseingriffe dürften aber erst »von bestimmten Verdachts- beziehungsweise Gefahrenstufen an« erlaubt werden. 20 Diese Voraussetzungen waren vom nordrhein-westfälischen Landesgesetz schon wegen dessen mangelnder »Normenklarheit und

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