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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Täter des 11. März 2004 einer der mutmaßlichen Drahtzieher des Attentats freigesprochen werden, weil die Richter die umfassende Lauschpraxis der Ermittler für wenig beweiskräftig hielten.
    Verfahrenssicherungen, die aus deutscher Sicht zum Schutz der Rechte im Strafverfahren essenziell sind, verschwinden, wenn verdächtige Bürger eines Staates ohne Gegenwehr in Länder verschoben werden können, in denen für sie nicht nur die passenden Beweise bereitliegen, sondern auch das passende Strafrecht parat steht. Genau dies aber sieht der Europäische Rahmenbeschluss vor, mit dem die Mitgliedstaaten gezwungen
werden, terrorverdächtige Staatsbürger dorthin zu liefern, wo sie einfacher zu verurteilen sind. Di Fabio und seine Kollegen kippten 2005 schließlich das deutsche Gesetz, das den europäischen Beschluss umsetzte, nach einer dramatischen Verhandlung: Vor den Schranken des hohen Hauses mussten Abgeordnete der damals regierenden Rot-Grünen Koalition Auskunft geben, wie es dazu kommen konnte, dass ein derart himmelschreiend ungerechtes Gesetz eine Mehrheit im Parlament finden konnte. Die Antwort zum Beispiel des Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele: Er habe für den europäischen Haftbefehl gestimmt, weil das Justizministerium ihm zu verstehen gegeben habe, dass er dazu verpflichtet sei. »Normativ unfrei«, gab der Abgeordnete zu Protokoll, habe er sich gefühlt.
    Der Streit mit dem Bürger Darkazanli ist noch lange nicht zu Ende, er wird immer spannender. Doch bevor wir ihn weiterverfolgen, sollten wir einige grundsätzliche Klärungen vornehmen - um der Ehrlichkeit willen. Ist es eigentlich erfreulich oder unerfreulich, dass Mamoun Darkazanli immer noch und vielleicht für immer frei herumläuft? Natürlich wäre es einfacher, die problematischen Weiterungen des globalen Kampfes gegen den Terror anhand von Beispielen vorzuführen, in denen jemand in die Mühlen der Justiz kommt, der wie Kafkas Josef K. mit hoher Wahrscheinlichkeit ein harmloser Bürger ist. Solche Beispiele werden auch im Folgenden noch herangezogen. Doch die Diskussion - wie es häufig geschieht - auf solche Beispiele zu beschränken, betrügt um einen wichtigen Aspekt: dem berechtigten Bedürfnis, Schutz vor Leuten wie Mamoun Darkazanli zu haben.
    Denn natürlich ist es unerfreulich, wenn jemand unkontrolliert Gelder durch die Welt schicken kann, die mit hoher Wahrscheinlichkeit der Finanzierung neuen Terrors dienen. Wir befinden uns mit diesem Urteil in der guten Gesellschaft des Märchenkönigs, der sich darüber beklagt, er wisse genau, dass die Hälfte seiner Dienerschaft ihn bestiehlt - er wisse nur leider nicht, welche Hälfte. Der König im Märchen ist ein gerechter
König und kommt zu den Schluss: Da kann man eben nichts machen. Und in der Wirklichkeit ist die gerechte Antwort die Antwort des Rechtsstaates. Es gibt vieles Unerfreuliche, gegen das sich in den Grenzen des Rechts nichts unternehmen lässt. Und das Recht deshalb zu ändern, seine Grenzen zu erweitern, bedeutet stets, den Schutz aller Bürger vor staatlichen Eingriffen einzuschränken. Das ist ebenfalls unerfreulich. Unsicherheit oder Unfreiheit, Pest oder Cholera.
    Dass dies die Wahl ist, bekräftigt Wolfgang Hoffmann-Riem, der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Autor zahlreicher Urteile, mit denen die Bürgerfreiheiten gegen staatliche Sicherheitsübergriffe zumindest etwas geschützt wurden: Beim Lauschangriff, bei der Rasterfahndung, beim Onlinezugriff auf Computer. Hoffmann-Riem, der Hamburger Rechtsprofessor, rechnet vor, dass »Sicherheit nicht zum Nulltarif« zu bekommen ist: Je mehr Sicherheitsvorkehrungen der Innenminister in Gesetze gießen lasse, desto größer wird die Chance, dass unbescholtene (und natürlich auch bescholtene) Bürger Objekt staatlicher Zugriffe, vielleicht sogar Opfer unrechtmäßiger Verurteilung und Bestrafung werden. Es müsse, fordert der Wissenschaftler, ein »esellschaftlicher Konsens« gefunden werden, welches Maß an Unsicherheit in Kauf genommen werden solle, um das erwünschte Maß an Freiheit zu erhalten. Hoffmann-Riems Beispiel: Die Unsicherheit im Straßenverkehr fordert mehr Opfer als der schlimmste Terrorismus. Gleichwohl gibt es einen politischen und gesellschaftlichen Konsens, die Unsicherheit beim Benutzen einer Fahrbahn hinzunehmen - unerfreulich für alle Schulkinder, erfreulich für die Autoindustrie.
    Man kann es wenden, wie man will: Sicherheit kostet Freiheit, Freiheit kostet Sicherheit. Wer verspricht,

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