Der globale Polizeistaat
Unschädlichmachung
Wie gesagt - wer es nicht glaubt, soll lesen. In einer neuen, viel beachteten Schrift mit dem Titel Der Terrorist und sein Recht 2 hat der Regensburger Strafrechtsprofessor und Rechtsphilosoph Michael Pawlik die Grundzüge eines Kriegsrechts gegen den Terrorismus
entworfen. Denn Krieg, das ist Pawliks Prämisse, sei es unbestreitbar, was da auf uns zukomme: Man werde für terroristische Angriffe »den Kriegsbegriff kaum mehr vermeiden können«. Das gelte nicht nur für Afghanistan, sondern ebenso für den Staat des Grundgesetzes, konstatiert der Professor: »Terrorismus ist eine Form der Kriegführung«, die Auseinandersetzung mit den islamistischen Netzwerken sei »an die Stelle des Staatenkrieges getreten«.
Dies ist allerdings ein faktischer, kein normativer Befund. Pawlik meint nicht etwa, dass nun die Regeln des Krieges im Inland als Regeln der Terrorismusbekämpfung gelten sollten. Wegen der Unterschiede, die es zwischen dem Staaten-Krieg und dem Terrorismus-Krieg gebe, müsse über ein ganz neues Recht nachgedacht werden, der Terrorismus sei »ein formensprengendes Phänomen«, im Kern zutreffend sei Schäubles Ansicht, dass »die herkömmliche Trennung zwischen Kriegsrecht, Polizeirecht und Strafrecht an unserer heutigen Situation vorbei« geht. Der Gegner zwinge zu einer »Rebarbarisierung auf hohem Niveau«, die staatliche Auseinandersetzung mit dem Terror habe eine »asymmetrische Grundstruktur«, die anknüpfe an die Gewaltaustragungsformen der Zeit vor dem Westfälischen Frieden, die also den blutigen Glaubensauseinandersetzungen während des Dreißigjährigen Krieges verwandt ist.
Dieser weithin geteilten Analyse 3 fügt Pawlik die juristische Konsequenz hinzu, dass also die Aufgabe des Staates im Kampf gegen den Terror einerseits die traditionelle »Verteidigung des Rechts gegen das Unrecht« sei, die Mittel andererseits »kriegsrechtsähnlich« sein müssten. Und dies ist in der Tat eine brisante Kombination: Geradezu kennzeichnend für die Aufgabe des Staates nach innen - mit den Mitteln des Rechtsstaats also - ist die Verteidigung des Rechts gegen das Unrecht. Kennzeichnend für die Aufgabe des Staates als kriegführender Staat nach außen ist gerade die Rechtlosigkeit. Im Westfälischen System 4 gibt es keine Kriege zur Durchsetzung rechtmäßiger Ziele. Krieg ist Krieg, er muss sich zwar an gewisse Mindestregeln halten, im Übrigen
gilt die Definition des Kriegstheoretikers Carl von Clausewitz: Krieg sei »ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen«. 5 Dass er, wie in der UN-Charta verlangt, nur zur Verteidigung unternommen werden darf, ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, nicht Definitionsmerkmal. Sonst hätten wir, schön wäre es, den Angriffskrieg - und damit auch den Verteidigungskrieg als Reaktion auf den Angriffskrieg - einfach wegdefiniert.
Pawliks Konsequenz bedeutet also, dass der Staat zur Verfolgung von Zielen, die herkömmlich mit rechtsstaatlichen Mitteln 6 erreicht werden müssen, die rechtlosen, nur im Falle des Exzesses begrenzten Mittel des Krieges anwenden darf. Wie weit diese Konsequenz reicht, zeigt der simple Vergleich der rechtlichen Situation im Falle der gezielten Tötung von Personen: Im Rechtsstaat ist das staatliche Töten von Menschen außer in Fällen der Notwehr und Nothilfe verboten - von der hierzulande verfassungswidrigen Todesstrafe einmal abgesehen. Handelt der Staat als Krieger, ist das Töten - ohne jede spezielle Rechtsgrundlage - geradezu geboten. Soldaten auch der Bundeswehr werden dafür sorgfältig und mit Steuergeldern ausgebildet.
Pawlik weiß um die Brisanz seiner Forderung, verteidigt sie aber: Der »Befund der Vermischung« von Kriegsrecht und rechtsstaatlichem Recht »gilt zwar weithin als skandalös« - dennoch »tun Gesetzgebung und Rechtspraxis das zur Terrorabwehr notwendig Erscheinende«. Die im Zweiten Teil beschriebenen Verschärfungen des Polizeirechts wie auch die weitreichenden neuen Antiterrorgesetze des Strafrechts sieht Pawlik als erste Gehversuche im Krieg gegen den Terror, die allerdings von Verfassungsrichtern immer wieder behindert würden, deren Verhalten »am Gefahrenbewusstsein« des hohen Hauses zweifeln lasse.
Pawlik, der Strafrechtsprofessor, räumt ein, dass die strafrechtlichen Antiterrorgesetze einem rechtsstaatlichen Strafrecht Hohn sprechen. Viele neue Gesetze wie etwa die Strafbarkeit der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung oder der Reise
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