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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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im Hubschrauber zusammen mit anderen feindlichen Kämpfern nach Helgoland gebracht. Dort ist ein kaum zugängliches Gelände mit hohen Zäunen abgesperrt. Ein verminter Geländestreifen sichert die Anlage. Hunde an langen Drahtseilen streifen an der Umfriedung entlang. Die Gefangenen drinnen leben bei schönem Wetter in offenen Käfigen, im Winter in fensterlosen Zellen.
    »Wie lange?« - fragt K. ängstlich, als man ihn in eine Zelle führt. Der Wächter antwortet ausweichend: »Bis zu zehn Jahre wird von den oberen Behörden für unbedenklich gehalten.«
    Wir wollen dem Leser ersparen, sich im Einzelnen damit zu beschäftigen, was K. bei den dann folgenden Verhören erleben muss. Das Rote Kreuz, das zu dem Lager regelmäßig Zugang bekommt, hat wiederholt Beschwerde erhoben, Klagen vor dem Menschenrechtsgerichtshof bleiben erfolglos, weil das Gericht
sich für die kriegsähnliche Situation des Kampfes gegen den Terrorismus für nicht zuständig erklärte. Auch als kürzlich ein Gefangener, der entwichen war und sich in einem nahen Wald versteckt hielt, von Scharfschützen gezielt erschossen wurde, dauerte der Protest in der Öffentlichkeit nur kurz, alle Zeitungen, die sich kritisch äußerten, wurden wegen des Verdachts der Kontaktaufnahme zu feindlichen Kämpfern oder ihren Unterstützern einem Abhörprogramm unterworfen, die Wohnungen der verantwortlichen Redakteure wurden verwanzt, die Textsysteme der Medienhäuser werden seitdem über das »Gemeinsame Zentrum für Terrorabwehr« geleitet.
    Als Menschenrechtsanwälte Klage erhoben, der Gefangene K. werde einem folterähnlichen Psychoterror durch das ständige Abspielen von Yoko-Ono-Liedern unterworfen, war die Antwort aus dem Innenministerium: Diese Praxis sei in US-Camps erprobt, gerade Yoko-Ono-Lieder seien ein absolut übliches Mittel der nervlichen Zerrüttung und immer noch besser als Waterboarding . Schließlich sei so etwas geeignet und erforderlich, um Terrorbedrohungen wie die des 11. September 2001 abzuwenden - das erweise sich schon dadurch, dass K. mittlerweile ein Geständnis unterschrieben habe.
    Abscheu und Empörung wird diese Geschichte auslösen - zumindest bei Ernst Uhrlau. So bösartig, dieser Einwand liegt wirklich nahe, dürfe man die Bemühungen der Bundesrepublik im Kampf gegen die terroristische Bedrohung nicht verzerren.
    Doch anders als der Anfang der Geschichte von Josef K. ist die gruselige Fortsetzung nicht im Kopf eines kleinen genialen depressiven Versicherungsangestellten in Prag am Beginn des Ersten Weltkrieges entstanden, sondern sie steckt in den Köpfen führender Staatsrechtler und Politiker eines Landes, das sich am Vorabend des Ersten Weltkrieges gegen den Terrorismus befindet. Alles ist vorbereitet und durchdacht. Nichts von der deutschen Guantanamo-Fiktion, was nicht mit Gutachten, Rechtstraktaten und in internen Diskussionen an entscheidender Stelle bereits überlegt und gerechtfertigt worden wäre. Der
deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble hat ein Verbot in seinem Haus erlassen, über Pläne von Gefangenenlagern für »Gefährder« auch nur zu sprechen, geschweige denn zu schreiben: Dieses Staatsgeheimnis gibt es vorerst nur in den Köpfen. Unbeweisbar, wie die geheimen Pläne der meist bärtigen Männer, die in den Listen des BKA verzeichnet und alle Anwärter für solche Lager sind.
    Wer es nicht glaubt, soll lesen. In den Schriften der Rechtsdenker, von denen nicht wenige auch den deutschen Innenminister beraten, ist das neue Recht gegen den Terror, ein gefährlicher Mix aus Strafrecht, Polizeirecht und Kriegsrecht, bereits in wichtigen Punkten vorgeschrieben. Es ist ein Recht des Ausnahmezustands, mit verdünntem Grundrechtsschutz, Gefangenenlagern, auch Folter ist nicht tabu. Es ist ein Recht, in dem die Obrigkeit ohne Beweise und ohne gesetzliche Rechtsgrundlagen, weitgehend ohne parlamentarische und gerichtliche Kontrolle agieren kann. Ein Recht, das Lager wie Guantanamo alt aussehen lässt: So umständlich wie die Amis, die extra auf die Karibikinsel Kuba gingen, um exterritorial den Bindungen der amerikanischen Verfassung zu entkommen, brauchen die Deutschen das gar nicht aufzuziehen. Bei uns funktioniert das Recht der Leguane auch auf Helgoland - wir setzen das Grundgesetz auf unserem eigenen Territorium außer Kraft.

»Rebarbarisierung auf hohem Niveau«
    Ein ganz neues Recht - Krieg ist Krieg - Das Gesetz des
Tötens - Ein skandalöser Befund - Josef K. atmet auf - Aber
zu früh - Über

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