Der globale Polizeistaat
ein Terroristencamp mit bösen Absichten knüpften an die »künftige Gefährlichkeit« eines Delinquenten. Mit dem strafrechtlichen Schuldprinzip habe das nichts mehr zu tun. »Der Befund, dass vom Verhalten einer Person überhaupt eine Gefahr für die Rechtsgüter anderer ausgeht, kann deshalb unmöglich genügen, um das Recht der betreffenden Person auf die strafgesetzliche Respektierung ihres Privatbereichs zu übertrumpfen.« Irgendwelche Überwachungsmaßnahmen aufgrund solcher mutmaßlicher »Gefährder« sind deshalb für den Strafrechtsprofessor nicht akzeptabel. Wenn man gar nicht genau wisse, worin eigentlich das Verbrechen genau bestehen soll, könne die Verhältnismäßigkeit einer Ermittlungsmaßnahme nicht überprüft werden. Besonders empört ist Pawlik über die Straftatbestände, die - wie etwa bei der Reise ins Terrorcamp - auf die »Absicht« des Täters abstellen, mit seinem neuen Wissen Böses zu tun. »Cogitationis poenam nemo patitur« ist der lateinische Spruch gegen Gesinnungsstrafrecht: »Allein die Interna eines Subjekts können keine soziale Störung sein«, zitiertPawlik seinen Kollegen Günther Jakobs, der statuiert: »Ohne Privatbereich ist ein Bürger überhaupt nicht vorhanden.« Das klingt schwer nach Kafka.
»Na also«, möchte Josef K. sagen und aufatmen. Er sieht das nicht anders, und dann wird sich der Professor, der sich schließlich ganz deutlich auch von Auswüchsen wie denen in Guantanamo distanziert, ja umgehend für seine Freilassung aus dem Lager Helgoland einsetzen.
Doch der Professor macht eine überraschende Volte. All die Empörung, schreibt er, gilt zum Schutze von Bürgern. Der Feind im Krieg gegen den Terror aber ist - egal ob Deutscher oder nicht - kein Bürger, er ist feindlicher Kämpfer. Er wird mit den Mitteln des Krieges bekämpft, nicht mit denen des Rechtsstaats. Die Wohltat des Strafrechts und seiner Bedenkenträger bleibt ihm verschlossen. Wenn der Rechtsstaat mit K. nicht fertig wird - umso schlimmer für K.
All die strafrechtlich unerträglichen Verhunzungen des Rechtsstaates, die Pawlik eben noch niedergemacht hat, werden sogleich
von ihm gerechtfertigt als »nicht wünschenswert sondern unvermeidlich« auf der Grundlage eines »kriegsrechtlich orientierten Präventionsrechtes« wie es gegen Terroristen zu gelten habe. Es handele sich um »Kriegsrecht, gebunden durch die spezifische Begründungslogik des neuartigen Präventionsrechts«. Die Pawliksche Begründungslogik: »Der Gegner wird so genommen, wie er sich präsentiert«, er müsse »als Feind anerkannt« und entsprechend dem Clausewitz’schen Satz behandelt werden, dass der Feind »niedergeworfen« werden müsse. »Inhaftierung« und »Tötung«, und zwar auch »außerhalb konkreter Kampfhandlungen«, gehörten zum Niederwerfen dazu. Deshalb müsse auch im Umgang mit Terrorverdächtigen »gezielte Tötung außerhalb der engen Grenzen des Polizei- und Notwehrrechts« möglich sein - ebenso vorbeugende Inhaftierung. Solch »Präventionshaft« solle aber »in der Regel die Dauer von zehn Jahren nicht überschreiten«. Das sei keine Willkür: Es gehe um »rechtlich eingehegte Unschädlichmachung«.
In Guantanamo rechtfertigen sich Militärs und Juristen für ihren menschenrechtswidrigen Umgang mit Gefangenen mit dem Standardspruch: »Wir dürften sie erschießen, warum sollen wir sie da nicht einsperren dürfen?« Die Logik der Leguane gilt ebenso in Pawliks Krieg: Wenn »Gefährder« unter dem Verdacht, feindliche Kämpfer zu sein, sogar abgeschossen werden dürfen - warum soll man sie da nicht wenigstens ein bisschen foltern dürfen? Pawlik schreckt nicht wirklich vor dieser Konsequenz zurück. Ob das Verbot des Paragrafen 136a Strafprozessordung, Aussagen »durch Misshandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose« zu erpressen, auch in der Präventivhaft gelte, »sei offen gelassen«. Von wem? Von ihm.
Der Logik, Terrorverdächtigen den Status als Rechtsperson zumindest zeitweise abzusprechen, entspricht auch die Forderung Pawliks, ihnen den Schutz der Menschenrechte zu entziehen. Die Garantievorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention,
die beispielsweise Vorbeugehaft verbieten, seien unter der Bedrohung durch den Terror wegen »öffentlichen Notstands« zu kündigen.
Der Import kriegsrechtlicher Grundsätze in das Innere des Staates vernichtet nicht nur den Menschenrechtsschutz
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