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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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ausgestreckten Masse gestrauchelt zu sein.
    Da aber die Erscheinung kein Wort sprach, wußte er nicht, was er davon denken sollte. Er stürzte auf den Arm, der das Messer hielt, mit dem Rufe: „Quasimodo!“ denn er vergaß im ersten Schrecken, Quasimodo sei taub. In einem Augenblick war der Priester zu Boden gestreckt und fühlte ein schweres Knie auf seiner Brust. Am eckigen Druck erkannte er Quasimodo. Was konnte er aber beginnen? Wie sollte er sich ihm zu erkennen geben? Die Nacht machte den Tauben auch noch blind.
    Er war verloren. Das Mädchen war wie eine gereizte Tigerin und suchte ihn nicht zu retten. Das Messer nahte sich seinem Haupte; der Augenblick war kritisch. Plötzlich schien sein Gegner zu zaudern. „Von Blut darf sie nicht bespritzt werden“, sprach er.
    Der Priester hörte Quasimodos Stimme, und fühlte, wie eine breite Hand ihn an den Füßen zur Tür hinausschleppte, als solle er vor der Zelle sterben. Glücklicherweise für ihn war der Mond vor einigen Augenblicken aufgegangen, dessen blasser Strahl vor der Kammertür auf die Gestalt des Priesters fiel. Quasimodo schaute ihm ins Antlitz, zitterte, ließ den Priester los und fuhr zurück.
    Die Zigeunerin war auf die Schwelle getreten und sah erstaunt, wie beide ihre Rolle wechselten. Der Priester drohte, Quasimodo flehte. Der Priester überhäufte den Tauben mit Zorn und Vorwurf und gab ihm endlich ein Zeichen, sich zu entfernen. Der Taube senkte den Kopf, dann kniete er vor der Tür. „Gnädiger Herr“, sprach er mit ernster Stimme, „tut was Ihr wollt, aber tötet mich zuerst.“
    So sprechend, reichte er dem Priester sein Messer. Dieser, außer sich, stürzte darauf zu. Allein das Mädchen war schneller als er. Sie riß das Messer Quasimodo aus der Hand, lachte wütend und sprach: „Jetzt tritt näher!“ Sie hielt die Klinge empor. Der Priester stand unentschlossen da. Sie hätte ihn gewiß niedergestochen. „Feigling“, rief sie ihm zu, „du wagst es nicht!“ Dann fügte sie mit unerbittlichem Ausdruck hinzu: „Ja, ich weiß, daß Phoebus lebt!“ Sie wußte wohl, daß sie des Priesters Herz mit glühendem Eisen durchbohrte.
    Der Archidiakonus stieß Quasimodo mit einem Fußtritt zu Boden und stürzte knirschend in das Treppengewölbe zurück. Als er fort war, nahm Quasimodo die Pfeife auf, durch die die Zigeunerin gerettet worden war. „Sie wird rostig“, sprach er, sie ihr zurückgebend, und ließ sie dann allein. Das junge Mädchen, außer sich, sank aufs Bett und schluchzte laut. Ihr Horizont zeigte neue Gewitterwolken. Der Priester tappte in seine Zelle zurück. Um Esmeralda war es geschehen. Dom Claude war auf Quasimodo eifersüchtig. Mit sinnender Miene wiederholte er seinen Unglücksruf: „Niemand soll sie haben!“

41. Gringoire hat mehrere gute Einfälle
    Seit Peter Gringoire gesehen hatte, wie die Sache einen sehr üblen Ausgang nahm, wie Strick, Hängen und andere Unannehmlichkeiten den Hauptschauspielern der Komödie bevorstanden, ließ er es sich nicht einfallen, am Spiel teilzunehmen. Die Landstreicher, unter denen er geblieben war, denn er dachte, dies sei doch noch im schlimmsten Falle die beste Gesellschaft von Paris, nahmen andauernd Anteil an der Zigeunerin. Dies fand er ganz natürlich bei Leuten, die, wie sie, nur Aussicht auf Charmolue und Torterue hatten, und die nicht, wie er, in den Regionen der Phantasie auf des alten Pegasus Flügeln umherschwärmten. Von ihnen hatte er erfahren, seine Gemahlin vom zerbrochenen Kruge habe sich in die Kirche Notre-Dame gerettet, und das war ihm sehr angenehm. Allein er verspürte nicht einmal die Versuchung, sie dort zu besuchen; nur bisweilen dachte er an die kleine Ziege. Übrigens führte er des Tages, um seinen Unterhalt zu erwerben, Kunststücke auf und verfaßte des Nachts eine Schrift gegen den Bischof von Paris. Gringoire ging von der Liebe einer Idee zur Liebe ihrer Form über. Eines Tages blieb er bei St. Germain-l’Auxerrois an der Ecke eines Hauses stehen, das man For-l’Evèque nannte, und das einem andern, For-le-Roy, gegenüber lag. An diesem For-l’Evèque befand sich eine schöne Kapelle aus dem fünfzehnten Jahrhundert, deren Chor auf die Straße hin gerichtet war. Gringoire untersuchte andächtig ihr äußeres Schnitzwerk und befand sich in einem Augenblicke egoistischen Genusses, wo der Künstler in der Welt nur die Kunst, und die Kunst in der Welt erblickt. Plötzlich fühlte er eine schwere Hand auf seiner Schulter. Er wandte sich um;

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