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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Überrock von Gold-Tuch. Dieser Mann trug im Gürtel einen prächtigen Dolch, dessen purpurner Griff in einem Helmschmuck ausgeschnitten und mit einer Grafenkrone gekrönt war. Sein Antlitz war unheilverkündend und stolz; den Kopf hielt er aufrecht. Beim ersten Blick erkannte man auf seinem Gesichte Anmaßung, beim zweiten List. Er stand entblößten Hauptes mit einer langen Papierrolle in der Hand hinter dem Armstuhl, auf dem ein ärmlich gekleideter Mann saß, einen alten, fettigen Hut von grobem Tuch mit einer runden Schnur von Bleifiguren auf dem Haupte. Er neigte den Kopf so tief auf die Brust, daß man von seinem Gesicht nichts sah als nur die Spitze einer sehr langen Nase. An der Magerkeit der gerunzelten Hand erkannte man den Greis. Dieser Mann war Ludwig XI.
    In einiger Entfernung hinter beiden sprachen zwei nach flamländischer Mode gekleidete Männer mit leiser Stimme zusammen. Jeder Zuschauer bei Gringoires Mysterium hätte in ihnen die beiden flamländischen Gesandten, Guillaume Rym, den schlauen Ratsherrn von Gent, und Jacques Coppenole, den populären Strumpfmacher, wiedererkannt. Man erinnert sich, daß beide in die geheime Politik Ludwigs XI. eingeweiht waren. Endlich stand im Hintergrunde vor der Tür ein starker Mann mit untersetzten Gliedern, in kriegerischem Harnisch, im Oberkleid mit gesticktem Wappen. Sein viereckiges Gesicht mit hervorgedrängten Augen, mit ungeheurem Munde, niedriger Stirn, hatte etwas vom Hunde und vom Tiger. Alle standen entblößten Hauptes, mit Ausnahme des Königs. Der Herr neben dem König las ihm eine Art langer Rechnung vor, wobei Seine Majestät sehr aufmerksam zuzuhören schien. Die beiden Flamländer flüsterten.
    „Gottes Kreuz!“ brummte Coppenole, „ich bin vom Stehen müde; ist denn hier kein Stuhl?“
    Rym antwortete mit einem klugen Lächeln und mit Kopfschütteln.
    „Gottes Kreuz!“ begann Coppenole aufs neue, unglücklich, so leise sprechen zu müssen, „ich habe große Lust, mich mit gekreuzten Beinen, als Strumpfmacher, auf den Fußboden zu setzen, wie ich’s in meiner Bude zu tun pflege.“
    „Hütet Euch, Meister Jacques.“ – „Oh, Meister Guillaume, so darf man hier nur stehen?“ – „Ja, oder knien“ –
    In dem Augenblick erhob sich die Stimme des Königs. Die beiden schwiegen.
    „Fünfzig Sous für die Kleider Unserer Bedienten, zwölf Livres für die Mäntel der Schreiber Unserer Krone! Was ist das? Ihr werft das Geld zum Fenster hinaus! Seid Ihr verrückt, Olivier?“
    Mit den Worten richtete der Greis sein Haupt auf. An seinem Halse sah man die Kette des Sankt Michael-Ordens funkeln. Das Licht beschien sein mageres und mürrisches Profil. Er riß dem andern das Schreiben aus der Hand.
    „Ihr richtet Uns zugrunde“, sprach er, indem er mit den hohlen Augen das Heft durchlief. „Was soll das? Was brauchen Wir ein so verschwenderisches Haus! Zwei Kaplane mit zehn Livres jährlich! Mein Ritter der Küche mit sechzig Livres jährlich! Ein Spießdreher, ein Suppenkoch, ein Schleifer, ein Waffendiener, zwei Bettdiener mit zehn Livres monatlich und der Meister Unserer Hofhaltungskammer eintausendzweihundert Livres! Und der Kontrolleur fünfhundert! … Was weiß ich! Das ist ja Raserei! Das Gehalt Unsrer Bedienten plündert Frankreich rein aus! Ja, ja, Wir müssen Unser Silbergeschirr verkaufen, und nächstes Jahr, wenn Gott und Unsere Frau (hier nahm der König den Hut ab) Uns Leben schenken, trinken Wir Unsere Medizin aus zinnernem Topf.“
    Bei den letzten Worten warf er einen Blick auf den silbernen Becher, der auf dem Tisch stand, hustete und fuhr fort: „Meister Olivier, die Fürsten, welche große Reiche regieren, die Könige und Kaiser dürfen keine Verschwendung an ihrem Hofe einreißen lassen. – Denn von da läuft das Feuer in die Provinzen. – Also, Meister Olivier, merk dir das. Unsere Ausgaben steigen mit jedem Jahr. Das mißfällt Uns sehr. Gottes Ostern! Bis 79 überstiegen sie nie sechsunddreißigtausend Livres, und 80 beliefen sie sich schon auf dreiundvierzigtausendsechshundertundneunzig Livres – die Summe weiß ich noch ganz genau – und 81 sechzigtausendsechshundertundachtzig Livres, und dieses Jahr, bei der Treue meines Leibes, werden sie achtzigtausend Livres betragen! Verdoppelt in vier Jahren! Ungeheuer!“
    Er schwieg außer Atem, fing aber sogleich voll Ärger wieder an: „Alle Leute in meiner Umgebung fressen sich an meiner Magerkeit fett! Ihr saugt mir Taler aus allen Poren!“
    Alle schwiegen. Des

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