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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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kennt mich ein wenig. Ich will’s euch schon sagen, wenn Ihr kommen könnt.“
    Sie trat allein an die Luke. Im Augenblick, wo sie hineinschaute, malte sich tiefes Mitleid auf ihren Zügen, und ihr frohes und heiteres Gesicht wechselte so plötzlich Ausdruck und Farbe, daß es schien, sie wäre vom Sonnenlicht in Mondlicht hinübergegangen. Ihr Auge ward feucht, dann legte sie den Finger auf die Lippen und gab Mahiette ein Zeichen heranzukommen.
    Mahiette trat bewegt und schweigend auf den Fußspitzen hinzu, so wie man dem Bett eines Sterbenden zu nahen pflegt. Auch bot sich wirklich den beiden Frauen, die, ohne sich zu rühren oder zu atmen, in die vergitterte Luke hineinsahen, ein furchtbarer Anblick.
    Die Zelle war eng, breiter als tief, im Spitzbogen gewölbt, und glich, von Innen aus gesehen, der Mitra eines Bischofs. Auf dem nackten Stein des Fußbodens saß oder kauerte vielmehr eine Frau in der Ecke. Ihr Kinn stützte sich auf die Knie. Die beiden Arme waren eng über die Brust gekreuzt. Sie war in einen braunen Sack gekleidet, dessen breite Falten sie gänzlich einhüllten. Lange, graue Haare fielen von ihrem Gesicht über die Beine bis auf die Füße. So erschien sie beim ersten Anblick als eine sonderbare, auf dem dunklen Grund der Zelle ausgeschnittene Gestalt, als eine Art schwärzlichen Triangels, den der in die Luke fallende Lichtstrahl in zwei gerade Hälften zerschnitt, wovon die eine dunkler, die andere heller war. Sie glich einem Gespenst, halb im Schlaglicht, halb im Schlagschatten, wie es uns Träume bisweilen vorführen, oder wie man dergleichen auf Goyas schönem Gemälde, blaß, unbeweglich auf einem Grabe sitzend, oder hinter dem Gitter eines Gefängnisses erblickt. Es war weder Mann noch Weib, noch lebendes Wesen, noch bestimmte Gestalt: Es war eine Figur, ein Traumgesicht, in dem Wirklichkeit und Phantasie wie Licht und Schatten zusammenflossen. Kaum erblickte man unter den bis zur Erde hinabhängenden Haaren ein abgemagertes und strenges Profil; kaum ragte unter ihrer Hülle die Spitze eines Fußes hervor, der sich auf dem eiskalten Pflaster krümmte.
    Diese gleichsam auf das Pflaster geheftete Gestalt schien weder Bewegung, noch Atem, noch Denkvermögen zu besitzen. In dem dünnen leinenen Sack nackt auf dem Granitpflaster ohne Feuer im Schatten eines Gefängnisses liegend, dessen Öffnung nie die Sonne, sondern nur den kalten Luftzug eindringen ließ, schien sie nicht mehr zu leiden, sogar nichts mehr zu fühlen. Man hätte sagen mögen, sie sei von Stein mit dem Kerker, zu Eis mit dem Winter geworden. Ihre Hände waren gefaltet, ihre Augen blickten starr. Beim ersten Anblick hielt man sie für ein Gespenst, beim zweiten für eine Statue.
    Dann und wann öffneten sich ihre blauen Lippen zum Atmen, aber so tot und mechanisch wie Blätter, die der Wind schüttelte. Ihren düsteren Augen entschlüpfte ein unaussprechlicher, tiefer, trauriger, unaufhörlich in den Winkel der Zelle gehefteter Blick und weilte auf einem Gegenstand, den man von außen nicht sehen konnte. Er schien alle Gedanken der verzweifelten Seele auf einen geheimnisvollen Gegenstand zu heften. Dies war das Geschöpf, das den Namen Klausnerin oder Büßerin führte.
    Die drei Frauen blickten durch die Luke. Ihre Häupter hielten das Licht vom Gefängnis ab, ohne daß die Unglückliche dies zu bemerken schien. „Stören wir sie nicht“, sprach Dudarde leise; „sie ist in ihrer Verzückung und betet.“
    Mahiette aber betrachtete mit immer wachsender Angst das magere, verwelkte Antlitz, und Tränen traten in ihre Augen. – „Das wäre sonderbar“, murmelte sie vor sich hin.
    Sie steckte den Kopf durch das Gitter, und so gelang es ihr, den Blick in den Winkel zu werfen, wohin die Unglückliche unaufhörlich schaute. Als sie ihr Haupt zurückzog, war es in Tränen gebadet.
    „Wie nennt Ihr die Frau?“ sprach sie zu Dudarde. – „Schwester Gudule“, erwiderte diese. – „Und ich nenne sie Paquette Chantefleurie.“
    Sie legte den Finger auf den Mund und gab der Dudarde ein Zeichen, ihren Kopf ebenfalls in die Luke zu stecken und hineinzuschauen. Dudarde tat dies und sah im Winkel, wohin die Klausnerin so düster schaute, einen kleinen rosafarbenen, mit Gold- und Silberblättern gestickten Schuh von Atlas stehen. Gervaise sah auch hinein, und alle drei Frauen begannen, die unglückliche Mutter betrachtend, zu weinen. Allein weder ihre Blicke noch ihr Weinen zogen die Aufmerksamkeit der Klausnerin auf sich. Ihre

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