Der Glucksbringer
Diamantohrringe. Sie war neugierig, was die blaue Schachtel enthielt. Im Inneren steckte eine silberne Brosche mit einem großen ovalen Topas in der Mitte. Sie sah zwar ein wenig altmodisch aus, aber dennoch wunderhübsch. Die junge Frau nahm sie heraus und hielt sie ins Licht.
Der Stil mutete bei genauerem Hinsehen ungewöhnlich an. Die Brosche war mindestens fünfzig oder sechzig Jahre alt, tippte sie. Woher mochte ihre Mutter sie
haben? Der im Baguetteschliff gehaltene Topas war von ausnehmend guter Qualität und in poliertes, filigran gearbeitetes Silber gefasst. Sie drehte die Brosche um und entdeckte die geheimnisvollen Symbole auf der Rückseite, was ihre Neugier zwangsläufig verstärkte. Was bedeuteten sie, und wieso war das Schmuckstück überhaupt graviert?
Sie hielt die Brosche an das Samtband, das sie um den Hals trug, und betrachtete das Ergebnis im Spiegel. Es war perfekt, das Tüpfelchen auf dem i. Zudem harmonierte die Farbe des Steins fantastisch zu ihren Augen.
Darüber kam ihre Mutter zufällig ins Zimmer. Ihr Blick fiel automatisch auf die offenen Schmuckkästen. »Hallo, was machst du denn da?«, wollte sie wissen.
»Nur ein bisschen rumstöbern, Mum. Na ja, stimmt nicht ganz. Ich suche ein paar schicke Accessoires, die ich auf dem Kostümball tragen kann, irgendwas, womit ich mein Kostüm aufpeppen kann, und«, sie hielt ihrer Mutter die Brosche hin, »ich denke, ich hab auch schon was Passendes gefunden.« Sie stand auf, drehte sich in dem mit glitzernden Pailletten bestickten Kleid und steppte mit temperamentvollen Tanzschritten durch das Zimmer, dabei hielt sie die Brosche an das samtene Halsband. »Siehst du, sie würde perfekt zu dem Samtband passen.«
»Die Topasbrosche«, sagte Jenny leise. Sie setzte sich auf das Bett.
»Wenn sie gereinigt ist, sieht sie aus wie neu. Du hast doch nichts dagegen, dass ich sie mir ausleihe, oder? Und die Ohrringe, ja?«
Jenny nahm die Brosche von ihrer Tochter und legte sie auf ihre Handfläche. Ein entrücktes Lächeln malte
sich auf ihren Lippen. Für eine lange Weile blieb sie stumm. Dann sagte sie: »Diese Brosche liegt mir sehr am Herzen. Sie ist seit der Jahrhundertwende im Besitz unserer Familie und hat eine bewegte Geschichte. Bitte, such dir etwas anderes aus, Liebes, aber nicht den Topas. Okay?«
»Aber«, gab Linda uneinsichtig schmollend zurück, »er ist genau das, was ich mir zu meinem Outfit vorstelle. Die anderen Stücke interessieren mich nicht.« Sie fasste Jennys Hand. »Ich pass auch gut darauf auf, Mum, ganz bestimmt. Großes Ehrenwort.«
Zwischen Jennys Brauen schob sie eine steile Falte, da sie sich spontan einer ähnlichen Situation entsann. »Genau wie damals, als du mir hoch und heilig versprochen hast, auf meine Diamantohrringe aufzupassen, und dann doch einen verloren hast?« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Linda. Dafür hänge ich zu sehr an dem Stück. Ich möchte wirklich nicht riskieren, dass die Brosche abhandenkommt.«
»Ist sie denn wertvoll?« Das konnte Linda sich nicht recht vorstellen.
»Nicht im finanziellen Sinne, aber für mich ist sie es. Für mich ist sie unbezahlbar.«
Linda blinzelte. »Und weswegen?«
Jenny überlegte für einen kurzen Moment. »Hab ich dir das mit dem Topas noch nie erzählt? Ach ja, richtig. Adam und Michelle kennen die Geschichte, aber du noch nicht.«
Linda versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ihr war freilich sonnenklar, dass ihre Mutter hart bleiben würde. Sie setzte sich wieder auf das Bett und lehnte sich zurück. »Also, dann schieß los«, meinte sie wenig begeistert.
Das ließ Jenny sich nicht zweimal sagen. »Okay. Es war vor über siebzig Jahren, irgendwo in Irland...«
Eine Dreiviertelstunde später hatte Jenny ihr die Geschichte in allen Einzelheiten berichtet: Sie spannte den Bogen von Rosemarys gälischer Inschrift auf der Rückseite der Silberfassung über Corinnes Vater, der seine Tochter und Liam auseinandergebracht hatte, erzählte, dass Stanley die Brosche in Sydney für Corinne als Geburtstagsgeschenk gekauft hatte, worauf der Goldschmied und sie wieder zusammengekommen waren. Sie ließ auch nicht aus, dass sie die Brosche an dem Abend gefunden hatte, als sie Mike kennen gelernt und dass Mike den Schmuck nach dem Krieg bei einem Pfandleiher in Cowra entdeckt hatte. Auf diese Weise hatte er sie nach ihrem Verschwinden wieder aufgespürt.
»Willst du damit sagen, dass meine Urgroßmutter Rosemary die Brosche mit
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