Der Glucksbringer
vielem ein richtiger Überflieger war. Aber nachdem sie und Mike auf die sechzig zugingen, hätte sie schon gern gesehen, wenn sie mit jemandem wie Tony eine feste Bindung eingegangen wäre. Adam hatte seine Frau Veronica und die Zwillinge, Michelle war mit Peter verheiratet.
Was soll’s, verdrängte sie den Gedanken an Tony und Linda; ihre Tochter war noch jung, und irgendwie würde es sich schon auf die eine oder andere Weise ergeben. Sie glitt unter das Laken und kuschelte sich an Mikes Rücken, doch der schlief wie ein Murmeltier und rührte sich nicht.
12
D a Mike schon mehrmals bei Tonys Eltern gewesen war, kannte er die Strecke nach Earlwood mittlerweile im Schlaf. An jenem Sonntag waren er, Jenny und Linda dort eingeladen, weil die Vincentes ihren dreißigsten Hochzeitstag feierten.
Als sie ankamen, war die Straße komplett zugeparkt, und sie mussten ein gutes Stück laufen. Die Haustür stand sperrangelweit offen, Männer, Frauen und Kinder schoben sich hinein und hinaus, beladen mit Schüsseln, Platten, Getränken und hübsch eingepackten Geschenken.
Linda zog ihren Minirock glatt, stopfte ihr blaues kurzärmliges Top in den Bund. Sie trug eine Lederjacke über dem Arm, falls es später kühler werden sollte, und ging voraus. Stimmungsvolle Musik klang ihnen aus dem Garten entgegen; das war bestimmt Tonys Onkel Guiseppe mit seinem Akkordeon. Guiseppe war ein begnadeter Musiker, der nach Gehör alles spielen konnte, ob Klassik oder Pop. Lindas hochhackige Sandaletten klackerten über die Bodenfliesen, als sie die weitläufige Halle betrat, in das Wohnzimmer stöckelte, wo sie ihr Geschenk zu den anderen legte, und durch die Küche in den Garten ging.
Auf dem Rasen stand ein mit Luftballons und Papiergirlanden geschmücktes Festzelt, die Klapptische im Innern bogen sich unter dem reichhaltigen, appetitlich angerichteten Büfett. Im Swimmingpool planschten die Kinder der Gäste – und erst der Geräuschpegel! Geradezu ohrenbetäubend, als ob sechzig Leute gleichzeitig plauderten und lachten.
»Linda, Mike, Jenny!«, rief Tonys Mutter Maria aufgeregt. Sie lief zu den Westaways und schloss alle drei in eine temperamentvolle Umarmung. »Ich freue mich irrsinnig, dass ihr kommen konntet!« Nach einem aufrichtigen Lächeln zu Mike und Jenny wandte sie sich an Linda. »Tony muss hier irgendwo sein. Vermutlich schleppt er irgendwelche Fässer. Soweit ich weiß, wollte er nämlich beim Bierzapfen helfen.« Sie kniff Linda neckisch in die Wangen und schimpfte: »Du bist zu dünn, viel zu dünn. Du musst mehr essen. Mangia! « Unversehens scheuchte sie die drei zum Festzelt, drückte ihnen Teller in die Hand und beschwor sie, bei den Meeresfrüchten und Nudeln ordentlich zuzulangen.
Marias überschwänglicher Gastfreundschaft konnte man sich schwerlich entziehen. Jenny versuchte es wenigstens. »Als wir das letzte Mal hier waren, Maria, hatte ich hinterher zwei Pfund zugenommen. Du kochst eben phänomenal gut!«
»Das kann ich nur bestätigen!«, bekräftigte Mike. Er schaufelte sich unbekümmert gegrillten Babyoktopus, Kalamares und Salat auf den Teller und ignorierte geflissentlich die strafenden Blicke seiner Frau.
In diesem Augenblick nahte Tony zu Lindas Rettung. Lässig in beigefarbener Bundfaltenhose und einem schwarzen Poloshirt, das seine sportliche Statur und den südländisch dunklen Teint unterstrich, begrüßte er ihre Eltern. Dann winkte er Linda unter dem Vorwand von der kleinen Gruppe weg, dass er sie seinen Cousins vorstellen wolle. Sie seien angesichts der Familienfeier extra aus Griffith angereist. »Kannst du mir noch einmal verzeihen?«, raunte er an ihren Lippen, bevor er diese mit einem zärtlichen Begrüßungskuss besiegelte. »Aber du weißt ja, wie Mamma ist. Eine Frau hat gefälligst
schön rund und mollig zu sein, so wie sie selbst.« Einen Arm besitzergreifend um Lindas Taille geschlungen, machte er sie mit seinen Cousins bekannt. Ronaldo, einer von ihnen, entpuppte sich als echter Charmebolzen.
Er grinste breit und führte ihre Hand an seine Lippen wie ein altmodischer Gentleman. »Ich bin entzückt, Bellissima . Verraten Sie mir doch bloß mal, was Sie an dem hässlichen Langweiler Tony finden?«
Linda musste lachen. Tony war bei Weitem attraktiver als die männlichen Mitstreiter aus dem Vincente-Clan, die man ihr bisher vorgestellt hatte, Ronaldo eingeschlossen. »Oh, keine Ahnung, er ist eben...« Sie strahlte seinen Cousin an. »... etwas Besonderes für mich.«
»Aaahh,
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