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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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benachbart. Sie wissen natürlich so gut wie ich, dass der Begriff der Tragik darauf zurückzuführen ist, unschuldig schuldig zu werden. Die einzige Definition des Tragischen, die es gibt. Und das ist natürlich auch komisch, denn wenn jemand in aller Unschuld etwas tut und damit etwas Verheerendes anrichtet, ist das hart an der Grenze zur Komik.« Zum Beispiel das Verwüsten eines Zimmers, wo man doch nur ein schiefes Bild geraderücken wollte.
    Letztlich fußt Loriots Idee von Komik auf drei Begriffen: auf dem Ernst einer Situation, auf dem glaubhaften Scheitern seiner Figuren und auf dem Problem der menschlichen Kommunikation. Seine vielen Fernsehpersiflagen gehören deswegen dazu, weil er das Fernsehen als eine ernste Sache ansah. Aus einer komischen Situation etwas Komisches machen zu wollen sei läppisch, befand er. Ebensowenig dürfe eine absurde Situation künstlich konstruiert werden, sondern es müsse so sein, dass man denkt »es kann mir eigentlich auch passieren«. Keine Frage, auch Vicco von Bülow hätte versucht, das schiefe Bild geradezurücken.
    Nach eigenem Bekunden war Loriots Hauptthema aber »die mangelnde Kommunikationsfähigkeit, das Aneinander-vorbei-Reden der Menschen, die bestimmte Dinge miteinander bereden wollen und trotzdem auf ein falsches Gleis geraten. Also, der Mann, der seine Frau fragt ›Liebling, wann gibt es Essen?‹, und sie sagt ›Mein Gott, ich kann doch nicht hexen!‹ In dieser Antwort liegt bereits die Keimzelle zu einem stundenlangen Missverständnis, wenn nicht zu einem lebenslangen Zerwürfnis.« Oder, wie er in einem »Spiegel«-Interview feststellte: »Alles, was ich als komisch empfinde, entsteht aus der zerbröselten Kommunikation.«
    Wir sprachen auch über die Giganten Chaplin und Keaton, die Loriot beide verehrte. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, dass er Keaton bevorzugte. Das todernste Gesicht des Mannes, »der niemals lachte«, empfand er als deutlich komischer als den charmanten Chaplin, der ihm hin und wieder zu moralisch und sozialutopisch daherkam. Auch in seinen eigenen Filmen, so Loriot, werde nirgendwo gelacht, »lachen sollen die Zuschauer«. Keaton war für ihn aber vor allem deswegen der größere Humorist, weil er nur auf das Komische an sich aus war und damit keine Botschaft verband.
    Interessanterweise war Vicco mit dieser Ansicht nicht allein. Ich hatte das Vergnügen, im Sommer 2012 in Köln Jim Jarmusch kennenzulernen, der dort einen Film drehte. Wir kamen sehr schnell auf Komik zu sprechen, auch Jim Jarmusch hat ja mit »Down By Law« eine sehr skurrile Komödie gedreht. Jarmusch sagte, es gebe »Chaplin-men« und »Keaton-men« – »I am definitely a Keaton-man«. Der amerikanische Regisseur, der einem anderen Kulturkreis und einer anderen Generation angehörte, empfand genau wie Loriot.
    Die Begegnung mit Jarmusch fand witzigerweise in dem nach Loriots Bettenverkäufer benannten Café »Hallmackenreuther« statt. Ich war dort früher schon einmal anlässlich eines Produktions-Abschlussfestes zu Gast gewesen. In der Produktion spielte Edgar Hoppe mit, der in Bremen eben diesen Bettenverkäufer namens Hallmackenreuther dargestellt hatte. Ich erzählte dem Wirt, dass sowohl Hoppe als auch ich an dem Loriot-Sketch mitgearbeitet haben, er konnte es kaum glauben.
    Als Loriot zum Ehrenprofessor an der Universität der Künste in Berlin ernannt wurde, sagte sein Freund Peter Wapnewski in seiner Laudatio: »In seinen Zeichnungen, seinen sich aus ihnen bildenden Geschichten, in seinen Sketchen, in seinen für das Fernsehen, für den Film, für die Bühne arrangierten Piecen legt er konsequent das Abgründige im Vordergründigen offen: das Absurde im scheinbar Normalen; die abgrundtiefe Komik im nüchternen Ernst; die dämonische Nichtigkeit im vorgeblich Wichtigen.«
    Dass ihm von einigen Kritikern vorgehalten wurde, zu liebenswürdig und unpolitisch zu sein, ärgerte ihn, aber er trug es mit Fassung. »Das, was ich mache, ist, bestimmte Bosheiten so einzupacken, dass der Betreffende, der es fressen muss, nicht merkt, was er runtergeschluckt hat. Und es ihm erst später, wenn er’s im Magen hat, irgendwann klar wird. Das ist der ganze Trick dabei. Es ist nur die Verpackung.«
    Spätere Generationen von Humoristen haben dies begriffen. Zum Beispiel Hape Kerkeling: »Ich glaube, dass das, was Loriot macht, durchweg politisch ist. Das ist eine so herbe Kritik an herrschenden Zuständen, aber eben auf eine Formel gebracht, die für jeden

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