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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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identifizieren ist (laut Programmheft »Ein sächsischer Tondichter«). Anlässlich der 50. Aufführung in Stuttgart hat Loriot selbst die stumme Rolle übernommen und sich mit angeklebter Nase und Wagner-Kostüm in den Meister verwandelt, was glücklicherweise privat gefilmt wurde und als Dokument erhalten ist.
    Es gibt in Loriots »Martha« sogar ein musikalisches Wagner-Zitat. Eine der Hauptfiguren heißt Lord Tristan. Als dieser vonMartha mit seinem Namen angesprochen wird: »Wie, Tristan, ist das Ihre Liebe?«, erklingt im Orchester kurz Wagners »Tristan-Akkord«. Loriot hatte diesen Scherz zusammen mit dem Dirigenten entwickelt, er war Teil der Inszenierung. Ein Kritiker der Aufführung wusste nichts davon und schrieb erstaunt, dass der Akkord, der unter Musikwissenschaftlern als der Beginn der modernen Musik gilt, eine Erfindung Friedrich von Flotows (des Komponisten der »Martha«) sei – und nicht von Wagner – mithin achtzehn Jahre älter als bisher angenommen. Loriot klärte den Journalisten später über seinen Irrtum auf, womit er sich den bleibenden Zorn des Herrn zuzog.
    Wie akribisch sich Loriot auf seine erste Operninszenierung vorbereitete, wird klar, wenn man seine Entwürfe für Kostüme und Bühnenbilder betrachtet, denn er führte nicht nur Regie, sondern war auch sein eigener Ausstatter. Jedes noch so kleine Detail ist von ihm meisterhaft gezeichnet. Und in seinem Archiv stehen bis heute die Bühnenbildmodelle seiner »Martha« und seiner zweiten Operninszenierung, des Weber’schen »Freischütz« (1988 in Ludwigsburg) – als kleine, elektrisch beleuchtete Papiertheater.
    Zu einigen weiteren Ausflügen in die Welt der Oper inspirierte ihn Klaus Schultz. Loriot war seit der Zeit, in der Klaus Schultz Chefdramaturg an der Bayerischen Staatsoper war, mit ihm befreundet. Später wurde Schultz Intendant in Aachen, in Mannheim und dann wieder in München.
    Im Jahr 1992 wurde die Bühne des Mannheimer Theaters umgebaut, Opern konnten während dieser Zeit nur konzertant aufgeführt werden. Da hatte Schultz die kluge Idee, Loriot zu bitten, ob er nicht Lust hätte, das, was er so oft im Freundeskreis gemacht hatte, nämlich Wagner-Novizen in das gigantische Werk des »Rings« einzuführen, mit dem Mannheimer Opernpublikum zu machen.
    Entstanden ist daraus »Loriot erzählt Wagners ›Ring‹ an 1 Abend«, die wohl komischste aller Inhaltsangaben von Wagners vierteiligem Hauptwerk. Mit großer Liebe zu den vier Musikdramen, aber auch mit viel Ironie und einem Hauch Respektlosigkeit gelingt es Loriot hier, selbst hartnäckige Wagner-Verweigerer weichzukneten und ihnen einen Zugang zum »Ring« zu eröffnen.
    Loriots »Ring« wurde in Mannheim ein großer Erfolg, und in Berlin war er der einzige Programmpunkt der ersten AIDS-Gala 1995, die sich seither zu einem alljährlichen gesellschaftlichen Großereignis entwickelt hat, nicht zuletzt weil Vicco jahrelang auf höchst geistreiche Weise durch die Operngala führte. Etliche seiner in neun Jahren AIDS-Gala entstandenen Moderationen sind als »Loriots kleiner Opernführer« veröffentlicht.
    Vicco wünschte sich auch für diese kurzen Texte einen Mitstreiter und bat mich, ihm zu helfen. So hatte ich die Freude, immer zu den Ersten zu gehören, die seine Entwürfe für die Moderationen am Telefon vorgelesen bekamen. Vicco wollte Kritik haben, kein Lob, und er wusste, dass ich ehrlich mit ihm war. Gelegentlich brauchte er für seine Texte auch technische Details von Computern und anderem neumodischen Zeug aus einer Welt, in der er sich nicht gut auskannte.
    In einem Interview in den achtziger Jahren sagte Loriot, dass er statt Lampenfieber eher Zweifel an der Richtigkeit dessen habe, was er tue. Lampenfieber habe er eigentlich nicht gekannt, vermutlich weil er nicht selber live auf der Bühne stand. Das änderte sich tatsächlich, als er begann, vermehrt live aufzutreten – bei seinen konzertanten Opernaufführungen, seinen Lesungen des Briefwechsels zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen (mit Walter Jens) und vor allem bei den »Festlichen Operngalas zugunsten der deutschen AIDS-Stiftung«. Bei seinen letzten Galas wurde sein inzwischen notorisches Lampenfieber immer stärker, er fühlte sich der Belastung vor Beginn der Vorstellung oft kaum noch gewachsen. Deshalb bat er unseren gemeinsamen Freund Otto Sander, sich immer als Zweitbesetzung für den Notfall bereitzuhalten.

☞ GEGENSCHUSS OTTO SANDER ☜
    Mein Auftrittstext sollte sein: »Loriot

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