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Der glückliche Tod

Der glückliche Tod

Titel: Der glückliche Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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Mittagessen brachte, wie es am Abend zuvor ausgemacht worden war. Aus Trägheit setzte er sich so, wie er war, zu Tisch, aß ohne Appetit, bevor noch alles kalt geworden war, und fing dann, ausgestreckt auf dem Diwan im unteren Zimmer liegend, zu rauchen an. Als er erwachte, war er wütend, daß er eingeschlafen war, denn es war inzwischen schon vier Uhr geworden. Er wusch sich, rasierte sich sorgfältig, zog sich an und schrieb zwei Briefe, den einen an Lucienne, den anderen an die drei Studentinnen. Es war schon sehr spät und wurde dunkel. Er ging aber doch noch ins Dorf, um seine Briefe einzuwerfen, und kehrte wieder zurück, ohne jemandem begegnet zu sein. Er ging in sein Zimmer hinauf und trat auf die Terrasse. Meer und Dunkelheit hielten Zwiesprache auf dem Strand und zwischen den Ruinen. Er dachte nach. Die Erinnerung an diesen verloRenén Tag bohrte in ihm. Abends wenigstens wollte er arbeiten, etwas tun, lesen oder aus dem Haus gehen, um durch die Nacht zu wandern. Das Gartentor klappte. Sein Abendessen wurde gebracht. Er hatte Hunger, aß mit Appetit und fühlte sich darauf unfähig, noch auszugehen. Er beschloß, lange im Bett zu lesen. Aber über den ersten Seiten fielen ihm die Augen zu, und am nächsten Morgen wachte er spät auf.
     
    An den folgenden Tagen versuchte Mersault gegen das anzukämpfen, was ihn zu überkommen begann. Im Verlauf der Tage, die einzig durch das Klappen der Gartentür und unzählige Zigaretten ausgefüllt waren, befiel ihn ein Angstgefühl, wenn er das Mißverhältnis begriff, das zwischen dem Entschluß, der ihn zu diesem Leben hingeführt hatte, und diesem Dasein selbst bestand. Eines Abends schrieb er an Lucienne, sie möge doch kommen. Damit durchbrach er selbst die Einsamkeit, von der er sich soviel versprochen hatte. Als der Brief abgeschickt war, verzehrte er sich in geheimer Scham. Als aber Lucienne ankam, ging diese Scham in eine Art törichter, überstürzter Freude über, die ihn einfach bei dem Wiedersehen mit einem vertrauten Menschen befiel, dessen Anwesenheit das gewohnte bequeme Dasein für ihn bedeutete. Er beschäftigte sich mit ihr, bemühte sich um sie, und Lucienne sah ihn etwas verwundert an, war aber jederzeit sehr um ihr gutgebügeltes weißes Leinenkleid besorgt.
     
    Er ging ins Freie, nun jedoch mit Lucienne. Er fand erneut den engen Kontakt mit der Welt, diesmal aber lag dabei seine Hand auf Luciennes Schulter. In dieser menschlichen Nähe entrann er seiner geheimen Furcht. Zwei Tage darauf jedoch langweilte ihn Lucienne. Sie wählte diesen Augenblick, um ihn zu bitten, er möge sie doch mit ihm zusammen leben lassen. Sie aßen gemeinsam zu Abend, und Mersault lehnte ihren Vorschlag rundweg ab, ohne den Blick von seinem Teller zu heben.
     
    Nach einer Pause hatte Lucienne mit klangloser Stimme gesagt: «Du liebst mich eben nicht.»
    Mersault hob den Kopf. In ihren Augen standen Tränen. Er wurde weicher gestimmt: «Das habe ich aber auch niemals behauptet, mein Kleines.»
     
    «Das stimmt», sagte Lucienne. «Das ist es ja aber gerade.»
     
    Mersault stand auf und trat an das Fenster. Zwischen den beiden Pinien flimmerten zahllose Sterne in der Dunkelheit. Noch niemals vielleicht hatte Patrice im Herzen zugleich mit seiner Angst einen solchen Widerwillen den soeben erst vergangenen Tagen gegenüber verspürt.
     
    «Du bist schön, Lucienne», sagte er. «Weiter sehe ich nichts. Ich verlange auch nichts weiter von dir. Das genügt für uns beide.»
    «Ich weiß», sagte Lucienne. Sie wendete Patrice den Rücken zu und kratzte mit der Messerspitze auf dem Tischtuch herum. Er trat zu ihr und faßte sie am Nacken.
    «Glaub mir, es gibt keinen großen Schmerz, keine große Reue, keine großen Erinnerungen. Man vergißt alles, die große Liebe sogar. Das ist am Leben das Traurige und zugleich Passionierende. Es gibt nur eine gewisse Art, die Dinge zu sehen, und die kommt von Zeit zu Zeit an die Oberfläche. Darum ist es trotz allem gut, wenn man eine große Liebe, eine unglückliche Liebe in seinem Leben zu verzeichnen hat. Das gibt uns wenigstens ein Alibi für die Verzweiflung, die uns ohne Grund befällt.»
     
    Nach einer Weile überlegte Mersault noch einmal und setzte hinzu: «Ich weiß nicht, ob du mich verstehst.»
     
    «Ich glaube, ich verstehe dich», sagte Lucienne. Sie wendete jäh den Kopf und sah ihn an: «Du bist nicht glücklich.»
    «Ich werde es sein», stieß Mersault heftig hervor. «Ich muß es sein. Bei einer solchen Nacht,

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