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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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überrascht inne, als registrierte sie Dimsch erst jetzt, bemerkte erst jetzt seinen neuen Kleidungsstil.
    »Kommst du direkt vom Camping?« Sie hob die Augenbrauen.
    Dimsch fiel keine spontane Antwort ein.
    »Nun«, setzte Großburg nach einer Weile fort, während der ihr Blick keinen Zweifel aufkommen ließ, was sie von Dimschs Aufmachung hielt. »Wir, Lara, Rainer und ich, haben gerade über eine kleine interne Umstrukturierung gesprochen, eine Möglichkeit, um noch moderner und flexibler zu sein und näher am Kunden.«
    Dimsch ahnte nichts Gutes, nickte, schielte zu Rainer Torberg,der aufrecht da saß, optimistisch und wie berstend vor Energie.
    Möglichst unauffällig sah Dimsch auch zu Lara Lichtenfels. Sie schien den Mittelpunkt des Besprechungstisches zu fixieren.
    Irene Großburgs Hände indes umfassten die Enden der Sessellehnen. Ihre Körperhaltung erinnerte Dimsch an jene von angespannten Flugzeugpassagieren, knapp vor dem Abheben, kurz vor Erreichen der Höchstgeschwindigkeit.
    »Du hast doch nichts dagegen, Sebastian«, sagte sie eilig, »wenn Rainer künftig für sämtliche Umfragen und Marktforschungen nicht nur wie bisher die Themen vorgibt, sondern auch im Detail Methodik und Fragen übernimmt. So kannst du dich noch besser auf die statistische Aufbereitung konzentrieren. Weißt du«, es sah aus, als wollte sie den galligen Geschmack, der sich in ihrem Mund angesammelt hatte, durch ein süßes Lächeln verdrängen, »weißt du, Sebastian, mir kamen zuletzt einfach zu wenig Ideen von dir, zu wenig Vorschläge. Vielleicht bist du ja auch schon zu lange dabei. Und Rainer ist ja auch näher dran am Markt.«
    In den Ohren spürte Dimsch das Pochen seines Herzens. Noch eine Degradierung; zuerst die Zwangsumsiedelung in die Kämmerchen zwei Stockwerke tiefer, und jetzt das. Zum Sekretär Torbergs war er abgewertet worden, zum bloßen Befehlsempfänger. Dimsch nickte, rieb nachdenklich die Handflächen aneinander, berührte mit den Spitzen der Zeigefinger seine Lippen, nickte abermals, atmete schwer durch und dachte dann rasch an etwas Trauriges – um nicht zu grinsen vor Vergnügen. Nach einem kurzen Schrecken nämlich war ihm klargeworden, welch zusätzlicher Freiraum, welch neue Zeit ihm eben geschenkt worden war für seine philosophische Lektüre, seine Suche nach dem Glück.
    »Das kommt für mich etwas überraschend, Irene. Aber wenn es für die Versicherung so am besten ist«, er hatte Lust, vor Freude aufzuschreien, »ja, dann geht das für mich selbstverständlich in Ordnung, Irene.«
    Dimsch sagte es gefasst. Und mit derartigem Nachdruck, dass Großburg und Torberg verstörte Blicke wechselten. Mit seiner selbstlosen Reaktion, seiner geradezu aufopfernden Haltung hatte er blanke Verblüffung in die Gesichter rundum gezaubert. Alle hatten sie Empörung und Kampf von ihm erwartet, Trotzigkeit, zumindest aber Zeichen kaschierter Verletztheit. Doch nichts davon. Und während sie angenehm überrascht hätten sein können vom glücklichen Ausgang der Szene, beobachtete Dimsch, wie die Gesichter von Großburg und Torberg ihre Linie verloren, ganz so, als habe er sie maßlos enttäuscht mit seiner kooperativen Art, als habe er sie um ein sicher geglaubtes Vergnügen geprellt, ein Kräftemessen, das sie gerne ausgetragen und selbstverständlich gewonnen hätten. Lediglich Lara Lichtenfels entwischte ein Lächeln, und Dimsch schien, als gelte es ihm.
    »Also gut. Dann ist ja alles klar.« Irene Großburg löste ihre Arme von den Sessellehnen. »Dann präsentiere uns doch jetzt bitte die aktuelle Wunsch-Wirklichkeits-Umfrage.«

    Als Dimsch eine halbe Stunde später nach einer ungewöhnlich souveränen Präsentation das gläserne Büro der Chefin verließ, musste er sich zusammenreißen, um mitten im Getümmel des Großraumbüros vor Freude nicht laut zu schreien. Es war beinahe zu schön, um wahr zu sein: All die klugen Bücher übers Glück – sie wirkten schon jetzt! Obwohl er doch erst vor kurzem begonnen hatte, darin zu lesen! Wie miserabel es ihm nach diesem Gespräch und der neuerlichen Kompetenzbeschneidung noch vor wenigen Wochen gegangenwäre! Wut, quälende Selbstzweifel und schlaflose Nächte wären die Folgen gewesen. Doch nun? Nun zerriss es ihn beinahe vor guter Laune. Welch Hochgenuss es war, frei, frei, frei zu sein!
    Als er das Stockwerk des Großraumbüros verlassen hatte, begann Dimsch zu laufen. Auf dem Weg nach unten nahm er je zwei Stufen auf einmal, stieß Türen auf, sprintete

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