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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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was genau es war, aber womöglich hatte ihn ja der alte Großburg höchstpersönlich, sozusagen aus dem Aufsichtsrat heraus, mit einem Geheimprojekt betraut. Ja, womöglich rührte Dimschs neue Selbstsicherheit daher. Und sein Kämmerchen, vielleicht lag das ja nur deshalb so abgelegen, um ihm unbeobachtetes Arbeiten an vertraulichen Themen zu ermöglichen. Jedenfalls wirkte er stets immens beschäftigt, wenn man es wagte, ihn wegen einer Kleinigkeit anzurufen.

    Wenn Dimsch in seinem Büro saß, tief in philosophische Werke versunken (den Esoterikkitsch hatte er beinahe ausnahmslos entsorgt), gab es gezählte vier Arten der Ruhestörung: E-Mails, Telefonanrufe, das einmal täglich polternd Ins-Zimmer-Fallen Pengs sowie Fragen seiner Mitarbeiter Sabine und Robert.
    E-Mails beantwortete Dimsch auf zweierlei Weise: entweder bloß stichwortartig in borstigem Stakkato oder, was immeröfter geschah, glattweg abweisend. In jedem Fall aber blitzschnell, schließlich hatte er Bedeutenderes zu tun. Am Telefon wiederum klang er derart gestresst, dass sämtliche Anrufer schon bei seinem ersten Atemholen ein schlechtes Gewissen ankam und sie sich schuldbewusst erkundigten, ob sie störten und es denn passender sei, würden sie es später versuchen. Worauf Dimsch »nein, nein, sprechen Sie nur« drängte, in einem Ton, wie komponiert aus verantwortungsschwerer Geschäftigkeit und kaiserlicher Gnade. Jedes berufliche Telefonat jedenfalls, das länger dauerte als zwei Minuten, schien ihm schlechthin Vergeudung von Lebenszeit. An Pengs täglichen Einfall dagegen hatte er sich gewissermaßen gewöhnt, obgleich sein Herz stets aufs Neue in ein schockähnliches Kammerflimmern abrutschte, wenn der Hausbote ins Zimmer krachte. Blieb der Kontakt zu seinen Mitarbeitern Sabine und Robert. An sie hatte er all jene Aufgaben delegiert, die ihm noch geblieben waren, hatte ihnen
mehr Verantwortung zugetraut,
ihnen
selbständiges Arbeiten ermöglicht
und sie gebeten, ihn ausschließlich mittels der wöchentlichen Besprechung auf dem Laufenden zu halten (nicht über Details, lediglich das Allerwichtigste interessierte ihn, prägnant präsentiert). Irgendwie schienen die beiden verstanden zu haben. Außerhalb der vereinbarten Treffen ließen sie sich nicht blicken, arbeiteten vielmehr, wie es Dimsch schien, äußerst fleißig an ihren neuen Obliegenheiten, igelten sich – ganz wie er selbst – in ihren kleinen Büros ein. Lichtscheue, emsige Tierchen.
    Während der berufliche Fluss der Dimschen Kommunikation also nach und nach ausdünnte und bisweilen der Eindruck entstand, als versiege er demnächst ganz, begannen, etwa zur selben Zeit, mehr und mehr private Mails einzugehen, aus allerlei Abteilungen. Von überall her tauchten sie auf, kamen aus Winkeln der Versicherung, an die er nie sonderlichgedacht hatte, von Menschen, denen er wissentlich bisher nicht einmal begegnet war, etwa von Kolleginnen und Kollegen aus der Buchhaltung, der Debitorenabteilung, des Controlling, der Rechtsabteilung, der IT. Ausgelöst worden war das Interesse unzweifelhaft durch Dimschs unorthodoxe Reaktion auf die Rundmails der hauseigenen PR- und Marketingabteilung. Nach Eingehen der Jubelmeldung etwa, dass der Jahresumsatz um 3,4 Prozent gesteigert worden war, stimmte Dimsch nicht in den üblichen Chor der Heuchler und simpel zu Begeisternden ein, indem er
Gratuliere!
oder
Hervorragend!
retour mailte. Stattdessen versandte er via Rund-Mail ein Zitat Mahatma Gandhis:
Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Tempo zu erhöhen.
    Auf die respektgebietende Ankündigung wiederum, dass Rainer Torberg demnächst einen wichtigen Werbepreis für die Versicherung entgegennehmen würde, und das in Anwesenheit Hunderter Prominenter aus Politik, Wirtschaft und Kultur, steuerte Dimsch einen Gedanken des amerikanischen Autors Norman Mailer bei:
Erfolg ist eine Strafe, man muss sich mit Leuten abgeben, die man vorher meiden konnte.
    Ein andermal reagierte er auf eine stolzstrotzende E-Mail, wonach die Secur AG als erstes Unternehmen des Landes ein vorwiegend aktien- und dividendenbasiertes Gehalt anbiete, mit den Worten des polnischen Aphoristikers Stanisław Jerzy Lec:
Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.
    Auf die daraufhin folgende Rund-Mail, welche aufklärte, die Versicherung nehme mit dem neuen Gehaltsmodell einen Trend vorweg, der allerorts bereits erkennbar sei, jagte Dimsch in zigfacher Ausfertigung eine

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