Der Gluecksmacher
aufs Geschäft bekommt. Zum Beispiel könnte er«, Torberg formte mit Zeigefinger und Daumen ein visitenkartengroßes Viereck, »
Persönlicher Berater der Vorstandsvorsitzenden
werden. Plus«, er legte eine Pause ein, »plus entsprechender Gehaltserhöhung freilich.«
»Schön, aber ohne Aufgabe, ohne Projekt für ihn ist das doch unglaubwürdig.«
»Ja, ein Projekt.« Torberg atmete aus. »Das ist der schwierige Teil: für diesen Lahmarsch ein glaubwürdiges Projekt zu erfinden. Aber«, er lächelte, »da fällt mir schon noch was ein.«
Für Rainer Torberg war es selbstverständlich, härter zu arbeiten und mehr zu geben als die anderen in der Branche. Die Anerkennung und gesellschaftliche Stellung, die sich daraus ergab, verschaffte ihm nicht nur einen erotischen Kick, sondern – noch wichtiger – eine selbst ihm geheimnisvolle Genugtuung, die ihn nicht nur ruhig werden ließ und entspannte, sondern ihn geradezu befreite. Torberg bedurfte keiner speziellen Motivation, um Höchstleistung abzurufen, tatsächlich war er dankbar dafür, sie allzeit unter Beweis stellen zu können.
Die aktuelle Sache mit Dimsch und dem alten Großburg war ihm eine Herausforderung. Diese Angelegenheit – das sagte ihm sein Sinn fürs berufliche Weiterkommen, sein Gespürfür heikle Phasen – war ein Dreh- und Angelpunkt in seiner Karriere und erforderte daher noch mehr Professionalität, noch mehr Einsatz als sonst. Dimsch musste, rechtzeitig bevor ihn der Alte als Nachfolger seiner Tochter aufbauen konnte, unschädlich gemacht werden. Bloß eine Frage der Zeit war es, bis Irene schwanger werden würde. Seit einem Jahr war sie mit einem geschiedenen Bankvorstand verheiratet, einem Herren aus angesehenem Hause, nicht mehr der Jüngste, aber eine passable Partie, ganz nach dem Geschmack des alten Großburg. Torberg jedenfalls wusste, dass Irene alles tat, um endlich ein Kind zu bekommen. Das würde dann seine große Stunde werden. Wer sonst hätte die Fähigkeit, den Willen und die Kraft, die Leitung der Versicherung zu übernehmen? Geradezu eine Farce wäre es, würde Dimsch als Marionette des Alten eingesetzt. Aber ruhig Blut, nur ruhig Blut, das würde er schon zu verhindern wissen.
Wichtig war jetzt, dass Irene endlich ein Kind bekam und für einige Zeit verschwand. Zu dumm nur, dass er sich da ganz allein auf sie verlassen musste und nicht wie sonst die Dinge für sie in die Hand nehmen konnte. Aber gut, Irene war ohnehin mit Nachdruck und Verbissenheit dabei, mehr als bei allen anderen Themen, die aktuell zur Erledigung anstanden. Ganz oben auf ihrer To-do-Liste notierte das Schwangerwerden. Es war auch höchste Zeit, ein männlicher Erbe musste her. Beim vorwöchigen Galadinner der Großburgs, zu dem Torberg als einziger leitender Angestellter geladen gewesen war, hatte er mit ansehen können, wie sehr Irene unter Druck stand. Die Frage, ob ihr denn endlich ein Erbe gelang, war das alles beherrschende Thema des Abends gewesen. Die feine Gesellschaft hatte keinerlei Skrupel erkennen lassen und sich heuchlerisch erkundigt, ob denn alles in Ordnung sei bei ihr, körperlich und psychisch. Oder ob denn gar in ihrer Eheetwas nicht stimme. Mit verärgertem Blick war zwischendurch der alte Großburg zu seiner Tochter getreten, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern, eine Frage, wie es schien, woraufhin Irene hastig antwortete und zu lächeln versuchte. Doch war kein Lächeln zurückgekommen, und Irene war schließlich mit kreidebleichem Gesicht aus dem Saal gegangen. Knapp ein Dutzend Gäste hatte die Szene mitverfolgt, und Torberg hatte den Eindruck gehabt, als dächten alle dasselbe: Dem Alten war durchaus zuzutrauen, dass er Irene enterbte, würde sie ihm keinen Enkel schenken. Das käme freilich einem väterlichen Verstoß gleich, einer späten Kindesweglegung. Nichts im Leben fürchtete Irene mehr, hätte sie damit doch nicht nur ein immenses Vermögen verspielt, sondern darüber hinaus die Zuneigung des Vaters.
Allerdings, wem sonst als ihr sollte der Patriarch die Firma, das Familienanwesen und all die Besitztümer vermachen, schließlich hatte er selbst keine Söhne gezeugt, nur eine einzige Tochter. Ja, der katholischen Kirche könnte er sein Vermögen hinterlassen, auch dieses Gerücht hielt sich hartnäckig, und dass es dem alten Kauz auf diese Weise möglich wäre, seinen Tod ähnlich pompös zu inszenieren, wie er es schon mit seinem Leben gehalten hatte.
Nachts, wenn Rainer Torberg wegen solcher und vielerlei anderer
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