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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Sautner
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bitte.«

22
    Ich fand das Seminar sehr aufschlussreich
. Das also war seine Kritik gewesen, seine Revolution, sein leidenschaftlicher Beweis, aus welchem Holz er geschnitzt war.
Ich fand das Seminar sehr aufschlussreich
. Dimsch blickte auf die Feuermauer vor seinem Bürofenster.
    Freilich, es war als Ironie geplant gewesen. Alle, die ähnlich empfanden wie er, hatte Dimsch gehofft, würden schon wissen, was gemeint war mit:
Das Seminar war sehr aufschlussreich
. Bloß als er sich nach seinem Statement umgesehen hatte, war da niemand gewesen, der Augenkontakt gesucht hatte, kein Einziger hatte ihm einen verschwörerischen Blick zugeworfen. Dabei hatte er in diesem Moment tatsächlich gedacht, dass mit
Ich fand das Seminar sehr aufschlussreich
alles gesagt war. Und zwar auf die eleganteste und prägnanteste Weise. Schließlich war dieser Satz das Resultat all seiner Überlegungen, war schlechthin die Essenz seiner geballten kritischen Haltung. Wären sie hellhörig gewesen, hätten alle im Raum nicht nur die Ironie erkennen müssen, die diesem Satzinnewohnte, sondern zudem, wenn schon nicht Wort für Wort, so doch dem Sinn nach, die ganze ihm beigemessene Bedeutung. Dieser Satz hätte ihre Brücke sein können zu seiner Wahrheit. Richtig erfasst, hätte er sie seine Gedanken lesen lassen.
    Dimsch war mürrisch. Missmutig drehte er eine Haarsträhne um den Mittelfinger. Natürlich hatte es nicht an der Verständnislosigkeit der anderen gelegen, Herrgott, Sakrament! Er hatte es schlicht nicht fertiggebracht, den Mund aufzumachen. Vielleicht lag es ja am zu ausgiebigen philosophischen Studium, versuchte er eine neue Ausrede. Sämtliche Denker mahnten schließlich zu Bedacht vor allzu sicheren Verlautbarungen, weil doch jede noch so simple Sache stets vielschichtiger sei, als es aufs Erste scheine. Je mehr einer von den Dingen wusste, desto komplizierter und unaussprechlicher würden sie ihm. Der größte Weise dieser Welt, der Klügste der Klugen, müsste demnach gänzlich wortlos sein, angesichts der Übermacht an Zweifel, die sich ihm auftaten. Den Mitmenschen – und wohl auch sich selbst – würde er damit zweifellos zum Narren.
    Dimsch hängte einen neuen Zettel an die Wand:
Wird der Mensch klug, macht er sich zum Narren.
Er betrachtete den Aphorismus, schmunzelte, dachte an
irrsinnig gescheit
.

23
    Eine halbe Stunde schon saß Eva Fischer Rainer Torberg gegenüber. Von der ersten Sekunde an hatte er sie in einer Art angesehen, die mehr Interesse an ihr verriet als am Sachverhalt, den sie mit ihm zu besprechen beabsichtigte. Für sie war es augenscheinlich, Torberg gehörte jenem Typus Mann an,dem Frauen vorwiegend eines waren: eine sportliche Herausforderung. Eva verhielt sich entsprechend reserviert. Sie saß aufrecht, erlaubte sich kein allzu freies Lächeln, griff mehrmals wie Halt suchend nach ihre Hornbrille, und als sie ein Bein über das andere schlug, tat sie es wie im Geheimen.
    Wenn sie sprach, hatte sie das Gefühl, dass er zwar ihre Lippen und ihren Körper beobachtete und dabei allerlei Überlegungen anstellte, aber dem Inhalt ihrer Worte nur zweitrangig Beachtung schenkte. Wenn wiederum er sprach, so waren seine Ausführungen zwar stichhaltig, doch jeder Satz, jede Wendung und jede Pointe war letztendlich eine einladende Andeutung, eine mehr oder weniger elegant verpackte Koketterie.
    Insgeheim freilich schmeichelten ihr sein Blick und all die Komplimente, die er platzierte wie ein Konditor kunterbunte Zuckertupfen. Ihr gefielen seine gepflegten Hände, die er gut einzusetzen wusste, und ihr gefiel seine Energie. Gewiss, er war viel zu beharrlich, viel zu direkt. Unleugbar aber bewirkte seine geradezu arrogante Zielstrebigkeit ein anregendes Gefühl. Sein offenes Visier stärkte Evas Selbstsicherheit und eröffnete ihr die Möglichkeit reizvoller Gedankenspiele. In genießender Passivität zurückgelehnt, konnte sie bleiben, so lange sie wollten und hatte dennoch die Möglichkeit, zuzugreifen, wann immer sie sich danach fühlen sollte – was freilich nicht passieren würde, schließlich hatte sie sich Abstinenz verordnet. Getrübt wurden ihre geheimen Phantasien, die während des Zusammenseins mit ihm üppiger und üppiger gerieten und zunehmend ihre Konzentration störten, vom dringenden Verdacht, dass Rainer Torberg seine Gunst so ziemlich allen Frauen gewährte, waren die Damen nur attraktiv genug.
    Es passierte am Ende ihres Gesprächs, als Eva Fischer ihm eine private Frage stellte.

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