Der Gluecksmacher
kein Geheimnis mehr. Die einen hielten es für Scharlatanerie, undurchführbar und einfach lächerlich. Andere aber – Lara Lichtenfels an ihrer Spitze – setzten allen Ernstes Hoffnungen in das neue Produkt, sprachen von einer revolutionären Idee, mit der die Secur AG den Markt aufmischen werde. Und weil Rainer Torberg einen sechsten Sinn für sich abzeichnende Stimmungswechsel hatte, zählte er sich seit kurzem zu jenen, die in der Glücksversicherung das für die Firma »zukunftsträchtigste Asset« sahen. (Er sprach das englische Modewort mit gekonntem BBC-Akzent aus, was seiner Einschätzung zusätzliche Glaubwürdigkeit verlieh.)
»Unser Projekt ist nicht mehr aufzuhalten!«, rief Torberg. »Dreimal darfst du raten, welcher gesellschaftliche Wert gemäß aktuellster Marktforschung on top ist.«
»Glück«, sagte Dimsch, um es rasch hinter sich zu bringen.
»Bingo! Das persönliche Glück. Ist das nicht ein herrlicher Zufall! Nummer zwei ist übrigens Sicherheit. Glück und Sicherheit also. Und nun darfst du dreimal raten, welchen Slogan ich der Glücksversicherung verpassen werde.«
Es war eine rhetorische Frage gewesen. Torberg sah schon in die Runde und wollte die Antwort präsentieren, als Dimsch, etwas gelangweilt und das Sektglas in der Hand drehend, sagte: »Mit Sicherheit zum Glück.«
Torberg wandte sich ihm zu. Ärger lag in seinen Augen, doch nur den unbeherrschten Bruchteil einer Sekunde lang.
»Genau!« Er lachte und drehte sich mit ausgebreiteten Armen um die eigene Achse. »Ist das nicht genial:
Mit Sicherheit zum Glück!«
»Genial. Großartig. Nicht schlecht«, kam als Echo von der umstehenden Herde.
Irene Großburg schloss sich der Runde an.
»Wir reden gerade über deine großartige Initiative«, wurde sie von Torberg begrüßt. »Welch Glück, dass die Konkurrenz nicht vor uns auf die Idee gekommen ist, eine Versicherung aufs Glücklichsein anzubieten. Ist doch ein todsicheres Geschäft.«
»Was wird die Versicherung kosten?«, wollte einer der Verkäufer wissen.
»Viel!«, wieherte Torberg. Von ringsum bekam er Gelächter als Belohnung für seinen spontanen Scherz. »Nein, selbstverständlich wird es verschieden hohe Prämien geben, wie bei allen anderen Produkten auch. Nicht wahr, Sebastian?« Er streifte Dimsch lediglich mit seinem Blick, sprach rasch weiter. »Ja, verschieden hohe Prämien, je nach Größe des gewünschten Glücks.«
Vages Nicken rundum, Gedankenfalten.
»Wie misst man Glück eigentlich?«, traute sich eine junge Kollegin in die Sprachlosigkeit zu fragen. »Sebastian, du musst das doch wissen, als unser Glücksexperte, oder?«
Alle Blicke waren auf Dimsch gerichtet, was seinen Kopf heiß werden ließ. Er schlürfte den letzten Schluck aus der Sektflöte.
»Es gibt tatsächlich eine Möglichkeit, das Glück zu messen«, begann er. »Andernfalls wäre eine Versicherung darauf ja gar nicht möglich. Schließlich müssen wir unseren Kundennachweisen können, dass sie mit Hilfe unseres Produkts glücklicher geworden sind.« Dimsch wunderte sich, die zwei, drei Sätze so weltmännisch über die Lippen gebracht zu haben.
»Nun sag schon«, forderte Irene Großburg in gereiztem Ton, »wie kann man das Glück messen?« Die Sache interessierte sie wirklich. Auch für sie war die Glücksversicherung in den vergangenen Monaten unversehens vom Ablenkungsmanöver zum Hoffnungsprojekt geworden. Dass das Thema aber ausgerechnet bei Dimsch zusammenlief und sie sich ausgerechnet bei ihm erkundigen musste, wenn sie Neues erfahren wollte, machte sie rasend. Sie blies eine Strähne aus ihrem Gesicht. Was für ein Lahmarsch dieser Dimsch doch war!
Dimsch versuchte sich zu konzentrieren. Er spürte ein unangebrachtes, witziges Gefühl im Bauch. Vermutlich kam das vom Sekt. Er war knapp davor, loszulachen. Irene Großburg sah so komisch aus, wenn sie versuchte, ihren Zorn zu verbergen. Dimsch spürte, wie die Lustigkeit in seinem Bauch wuchs, sie kitzelte ihn an der Bauchdecke, begann nach oben zu wandern, die Luftröhre entlang, gleich, gleich, gleich würde sie oben rauskommen, zum Mund raus und dabei ziemlich laut sein. Dimsch räusperte sich, hustete in die Faust, lachte kurz und schüttelte den Kopf, als sei er überrascht über den plötzlichen Reiz im Hals. Hustete abermals, atmete dann tief durch. »Es gibt eine«, begann er rasch, »eine technische Innovation, die ein Forscher in Oxford gemacht hat.«
»Hier, Sebastian, gegen den Hustenreiz.« Ein Kollege reichte
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