Der Gluecksmacher
dass ich so bin, wie ich sein will. Dann bin ich aus meinem Büro raus, habe den alten Dimsch hinter mir gelassen, und als ich in den Glücksraum rein bin, habe ich den neuen Dimsch mitgenommen. Das war alles.«
Lara war begeistert.
»Und das hält noch immer an?«, fragte sie nickend. Sie fühlte sich im Moment ganz besonders hingezogen zu Sebastian, das war ja eine ganz neue Facette an ihm.
»Nein. Als ich aus dem Glücksraum raus bin, war der Zauber wieder vorbei.« Unvermittelt stand Dimsch auf und küsste sie auf beide Wangen. Er war müde, und diese Küsschen würde sie sicherlich als freundschaftliche Aufforderung verstehen, ihn nun bitte alleine zu lassen.
Lara Lichtenfels sah ihn irritiert an, eine neue Emotion hatte sich in ihr Lächeln gemischt. Dimsch erkannte nicht, welche.
»Ich lass dich jetzt besser alleine.« Verstört verließ sie das Zimmer.
Nicht die Küsse hatten Lara aus der Fassung gebracht. Vielmehr war sie, als er ihr nahe gekommen war, hinter die wahre Ursache seiner Lockerheit gekommen. Aus Sebastians Mund roch es abstoßend nach Alkohol.
10
Eine kleine Veränderung war geplant. Rainer Torberg hatte vorgeschlagen, die Glücksprogramme der Versicherten um eine Leistung zu ergänzen. Fortan sollten auch Ermäßigungen für Schönheitsoperationen eingeschlossen sein. Ein froher Geist wohne viel lieber in einem schönen Körper, hatte der PR- und Marketingleiter beschlossen.
Dimsch war beinahe zu schwach, um seine Zweifel anzumelden. Nach seinem Gespräch mit diesem Käfer war er in einen depressionsähnlichen Zustand gefallen und hatte begonnen, sich darin einzurichten. Einvernehmlich hatten Irene Großburg und er beschlossen, dass dieses erste Kundengesprächsein letztes gewesen war. Eva Fischer würde die Aufgabe übernehmen. Für Dimsch sei damit der nötige Freiraum geschaffen – Großburg hatte an dieser Stelle einen Hustenanfall niedergerungen –, »die philosophische Komponente der Glücksversicherung zu verfeinern«.
»Schönheitsoperationen«, wiederholte Dimsch matt, wickelte ein neues Haarbüschel um den Zeigefinger.
Torberg besah das Ziffernblatt seiner Taucheruhr.
»Aber hast du bedacht, dass du die Menschen damit auf unglückliche Ideen bringst und sie überforderst?«
»Pah!« Rainer tat, als müsste er lachen, und wackelte abschätzig mit dem Kopf. Dann holte er die bestätigenden Blicke Irenes und Evas ein. Lara sah zu Boden.
Dimsch massierte sich die Schläfen. Rechts, links sowie oberhalb der Stirn standen ihm Haarbüschel vom Kopf. Es schien schon, als würde er sich resigniert geschlagen geben, da sagte er, etwas matt, doch mit klarer Stimme: »Rainer, du als Marketingprofi weißt doch, dass man die Bedürfnisse der Menschen ganz behutsam steigern muss, damit sie mit der Zeit immer und immer teurere Produkte zu brauchen glauben.«
»Natürlich«, kam etwas gereizt als Antwort.
»Siehst du, beim Glück ist es genauso.« Dimsch verspürte zunehmenden Druck in der Blase und rutschte in eine andere Sitzposition. »Die Menschen wollen ohnehin immer schwieriger zu erreichendes Glück. So müssen sie unweigerlich immer höhere Risiken eingehen, bis die Sache nur noch ins Unglück führen kann. Profis wie du, Rainer, sollten den Menschen helfen, nicht zu rasch an diesem Ende angelangt zu sein, sondern sie behutsam, ganz behutsam heranführen an immer größere Probleme.« Dimsch sah sich um, doch niemand reagierte, unverständige Blicke waren auf ihn gerichtet.Lara zumindest schien insgeheim zu lächeln. »Verstehe, wer kann.« Dimsch stand unvermittelt auf und verließ ohne weitere Erklärungen den Besprechungsraum. Der Blasendruck war schier unerträglich geworden.
»Unverschämt!«, stieß Großburg hervor. »Der geht einfach!«
»Vergiss ihn, Irene«, sagte Torberg.
»Es ist so schade«, fand Eva Fischer, »er ist an konstruktiven Lösungen überhaupt nicht interessiert.«
»Er ist einfach nicht teamfähig.«
»Und er passt auch überhaupt nicht zu uns«, ärgerte sich Großburg. »Wenn die Glücksversicherung läuft, schmeiß ich ihn endgültig raus.«
»Aber sie läuft doch schon«, sagte Torberg.
Seit er beinahe täglich nach Alkohol roch, nach Bier zumeist, getraute sich Lara nicht mehr, Dimsch zu verteidigen. Ihre Gefühle für ihn waren durcheinandergeraten. Zudem fürchtete sie, eine Unterstützung könnte ihr eigenes, seriöses Image gefährden.
»Er trägt überhaupt nichts bei«, stachelte Torberg weiter.
In diesem Moment lenkte Dimsch,
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