Der goldene Buddha
Niemand wartete auf uns. Die Mönche schienen wohl alle unter der Erde gelegen zu haben. Der Erhabene betrat als erster das Innere. Suko folgte, ich ging als letzter.
Stille umfing uns. Ich beugte meinen Mund dicht an Tai Pes Ohr und hauchte: »Kennst du dich hier noch aus?«
»Ja.«
»Wo steht der Buddha?«
»In der großen Tempelhalle.«
»Wie kommen wir dorthin?«
Tai Pe deutete den Gang hinunter. »Wir werden ihn weiter durchgehen, erreichen eine Treppe und gelangen in die Halle.« Wir liefen los.
Kaum hatten wir die Hälfte des Gangs hinter uns gelassen, als die Tür hart aufgestoßen wurde und die Mönche erschienen. Matt leuchteten ihre goldenen Gesichter, auf denen sich der Schein der Kerzen widerspiegelte.
»Weiter!« drängte Tai Pe. Er lief schon vor, während Suko und ich zurückblieben.
Die Mönche drängten in den Gang. Ihre Dolche hielten sie fest umklammert, die Arme halb erhoben, die Klingen wiesen mit ihren Spitzen auf uns.
Der Gang war nicht sehr breit, deshalb hatten die uns verfolgenden Mönche auch keine große Bewegungsfreiheit. Zwölf Gegner waren es bisher. Und mehr als zwei konnten innerhalb des Gangs nicht nebeneinander stehen.
Ich ließ sie kommen.
»Willst du nicht weg?« fragte Suko.
»Gleich, aber wenn ich welche erwischen kann, tue ich es lieber jetzt gleich.« Dabei zog ich die Dämonenpeitsche hervor, schlug einmal einen Kreis, und die drei Riemen klatschten zu Boden. Jetzt war ich kampfbereit.
Ich nahm den von mir aus gesehen rechten Mönch aufs Korn.
Ich lief ihm sogar entgegen, und als er zustechen wollte, da pfiffen die drei magischen Riemen durch die Luft und fanden treffsicher ihr Ziel.
Frontal klatschten sie dem Mönch in das goldene Gesicht, wo sich der Überzug sofort löste und das Metal langsam schmolz. Der Mönch selbst brach in die Knie. Er behinderte dabei die nachfolgenden Kumpane, die nicht so rasch an ihm vorbeidrängen konnten.
Die Chance nutzte ich und schlug ein zweites Mal zu. Wieder traf ich voll.
Der Mönch, der den Arm gehoben hatte, um seinen Dolch zu schleudern, kam nicht mehr dazu. Er kippte nach vorn und verlor das teuflische Messer.
Noch zehn Gegner.
Da hörte ich den Schrei.
Obwohl er spitz und grell war, war mir doch sofort klar, wer ihn ausgestoßen hatte.
Tai Pe!
Ich drehte mich auf der Stelle um und rannte geduckt den Gang hinab, denn weiter vorn war der Schrei aufgeklungen.
Fast hätte ich die Treppe übersehen. So stoppte ich hastig und schaute nach unten.
Mein Blick fiel in die Tempelhalle, wo der goldene Buddha stand. Es war eine faszinierende Figur, und sie schien aus purem Gold zu bestehen.
Normalerweise sieht man einen Buddha mit vor der Brust gekreuzten Armen. Dieser hier hatte vielleicht mal so gesessen, jetzt aber nicht mehr.
Einen Arm hielt er noch immer angewinkelt und den unteren Teil auch waagerecht vor seiner Brust. In der offenen Handfläche sah ich einen Totenschädel liegen.
Den zweiten Arm, den linken, hatte er erhoben. Die goldene Hand, schon eine Pranke, hielt wie ein Spielzeug einen Menschen umklammert, der sich verzweifelt wehrte und trotzdem nichts tun konnte.
Tai Pe!
Suko sah ich ebenfalls. Er lag vor der Buddha-Statue auf dem Boden und rührte sich nicht. War er tot?
Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn die Ereignisse ließen es einfach nicht zu. Mir war auch der Geruch aufgefallen, der die große Tempelhalle schwängerte. Er ging von den Räucherschalen aus, die vor dem Buddha im Halbkreis standen und diesen Gestank verströmten.
Ich schluckte, denn die letzten Sekunden hatten mir gezeigt, dass wir uns auf der Verliererstraße befanden. Jetzt stand ich allein gegen die Meute und hatte nur die Dämonenpeitsche als Waffe. Mit der Beretta richtete ich gegen die lebenden Toten nichts aus. Zuerst galt es, Tai Pe aus der Klaue des Mönchs zu befreien. Ich rannte über die Treppe nach unten, behielt den Buddha dabei im Auge und sah auch, dass er keine Augen mehr hatte. Stattdessen entdeckte ich zwei dunkle Höhlen in dem goldenen Gesicht. Trotz seiner Blindheit hatte er sich Tai Pe geschnappt, was mir bewies, wie gefährlich er noch war.
Wie ich den Erhabenen retten wollte, das wusste ich selbst nicht.
Wahrscheinlich würde ich den verdammten Buddha mit dem Mute der Verzweiflung angreifen.
Hinter mir hörte ich die abgehackten Schreie der goldenen Mönche.
Sie schöpften wieder Hoffnung, ich befand mich in ihrem Kloster, in ihrem Reich, und sie würden einen Teufel tun und mich
Weitere Kostenlose Bücher