Der goldene Buddha
Kloster auf. Der Überzeugung waren wir alle, aber wir sollten uns täuschen.
Ich nickte Suko zu. »So, dann wollen wir mal sehen, ob die anderen Türen auch offen sind.« Meine Stimme klang optimistisch. Ich ging voran und auf die Treppe zu.
Mich störte, dass die schmale Treppe kein Geländer hatte. Hintereinander gingen wir. Tai Pe hatten wir in die Mitte genommen, Suko bildete den Schluss.
Er blieb auch hin und wieder stehen und schaute zurück auf den makabren Friedhof.
Plötzlich stieß er einen lauten Ruf aus.
Wir blieben stehen.
»Da, seht!« rief der Chinese und deutete nach unten in den Innenhof.
Mein Misstrauen war berechtigt gewesen. Die Gräber mit den lockeren Hügeln waren zu frisch. Und die aufgeworfene Erde hatte etwas zu bedeuten. Sie sollten die letzten Ruhestätten verdecken. Gräber von lebenden Leichen, die jetzt die feuchte, kühle Erde verließen und herauskletterten.
Es waren die Mönche, und sie hatten goldene Köpfe!
***
Inspektor Marian hatte den Toten wegschaffen lassen. Er war durch einen Messerstich ermordet worden, und wenn der Inspektor daran dachte, dass diese Mönche auch mit Dolchen bewaffnet gewesen waren, musste er zugeben, dass dieser Oberinspektor aus London doch recht gehabt haben könnte. Marian steckte in einer Zwickmühle.
Sinclair war ein Gast des Landes, er genoss auch einen besonderen Schutz, und wenn ihm etwas passierte, würde man Marian zur Rechenschaft ziehen, denn dass es Verbindungen zwischen ihm und Sinclair gegeben hatte, war nicht unbemerkt geblieben.
Was also tun?
Marian wusste es nicht. Er starrte nur seinen Telefonapparat an. Bis er die Idee hatte.
Warum sollte er die Verantwortung allein tragen? Schließlich hatte er noch einen Vorgesetzten. Der wurde erstens besser bezahlt und hatte sich zweitens ausgebeten, alle wichtigen Entscheidungen selbst zu treffen.
Deshalb wollte Marian ihn auch hier einschalten.
Der Inspektor griff zum Hörer und meldete sich bei der Sekretärin des Präfekten an. Er erhielt einen Termin. In einer halben Stunde sollte er bei seinem Chef sein.
Marian rieb sich die Hände. Jetzt sah die Sache schon anders aus. Die Verantwortung hatte er weitergegeben. Da sollte der Alte mal sehen, wie er damit fertig wurde.
Zufrieden zündete sich der Polizeiinspektor eine dünne Zigarre an. Er war aus dem Schneider, und so musste es sein.
***
Wir bewegten uns nicht, sondern beobachteten das unheimliche Schauspiel.
Ich zählte die Gräber.
Zwölf waren es.
Ein Dutzend Gegner also, ein verdammt schlechtes Verhältnis. Hinzu kam noch der goldene Buddha, den wir ebenfalls vernichten wollten.
Sie krochen aus den feuchten Gräbern. Mit ihren Schultern stießen sie die lockere Erde auf, dann erschien der Kopf mit der goldenen Haut, die hin und wieder von einem letzten Sonnenstrahl getroffen wurde und aufblitzte.
Es blitzten auch die langen Dolche in ihren Händen. Die Mönche hatten die Waffen mit in ihre Gräber genommen, um sie bald gegen uns einzusetzen.
Alle schauten nur in eine Richtung. Und zwar dorthin, wo wir auf der Treppe standen.
»Der Fluch des goldenen Buddha«, flüsterte Tai Pe. »Er hat sich hier erfüllt.«
Mehr war nicht zu sagen. Wir sahen ja selbst, wie die Unheimlichen Aufstellung nahmen und so lange warteten, bis auch der letzte aus seinem Grab gekrochen war.
Dann rückten sie vor.
Ihre Bewegungen waren nicht eckig wie die von Zombies, sondern geschmeidig, als würden völlig normale Menschen gehen. Wir mussten damit rechnen, dass sie auch ebenso rasch reagierten. Die ersten standen bereits vor der Treppe, und damit waren wir vor die Entscheidung gestellt.
Kämpfen oder sich zurückziehen. Den Innenhof verlassen konnten wir nicht mehr. Es blieb der Rückzug ins Kloster, wo auch der goldene Buddha stand.
»Ich bin dafür, dass wir ins Kloster gehen«, sagte ich. »Wenn wir den Buddha vernichten, haben wir vielleicht eine Chance. Diese Mönche scheinen mit ihm eine Symbiose eingegangen zu sein.«
Meine Worte fielen auf fruchtbaren Boden.
Suko war dafür, dass wir uns erst einmal zurückzogen. Innerhalb des Klosters hatten wir bessere Chancen als im offenen Kampf. Er dachte dabei auch an den älteren Tai Pe, der körperlich doch nicht mehr so in Hochform war.
Als die ersten beiden Mönche die Stufen hochstiegen, zogen wir uns zurück.
Ich stieß die Tür auf und wehrte ab, als Tai Pe schon in das Kloster schlüpfen wollte. Auf keinen Fall sollte er in eine Falle laufen.
Die Sorge war unbegründet.
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