Der goldene Buddha
losgehen?«
»Keinerlei Schiffsverkehr. Bloß drei Fischerboote steuern soeben das offene Meer an. Zehn Meter Tiefe reichen aus, um ihren Kielen und Schrauben zu entgehen.«
»Setzt schon mal den Kaffee auf«, sagte Seng.
»
Bon voyage
«, spöttelte Cabrillo.
»Du hast gut reden«, gab Seng zurück.
Unmittelbar darauf erloschen die Lichter im Innern der Nomad, und sie versank im dunklen Wasser des Hafens.
Die Steuermänner des U-Boots vertrauten auf ihr GPS und setzten Kurs auf das Zielgebiet. Dank des Laserradars entging ihnen kein Hindernis. Es gelang ihnen, zwischen Bug und Heck zweier Containerschiffe hindurchzuschlüpfen, die derzeit im Hafen entladen wurden. Auch die gewaltigen Stützpfeiler der Kaianlagen stellten kein Problem dar. Sobald die Nomad sich unter den Bauten befand und sämtlichen Blicken entzogen war, tauchte sie auf und orientierte sich fortan mit Hilfe einer Nachtsichtkamera samt Restlichtverstärker. Zwischen den Pfeilern drang ausreichend Licht hindurch.
»Das schwimmende Wartungsdock liegt vor uns«, verkündete der leitende Steuermann.
Eine Überprüfung der Waffen und Ausrüstungsgegenstände war diesmal nicht nötig. Zwar trug jeder der Teilnehmer eine verborgene Pistole bei sich, doch sie wollten den Einheimischen auf dem Weg durch die Stadt als normaler kleiner Soldatentrupp erscheinen, nicht als bedrohliche Streitmacht. Aus diesem Grund mussten sie lediglich darauf achten, dass ihre Uniformen sauber und adrett aussahen. Alle männlichen Teammitglieder hatten bei den Special Forces gedient und besaßen strikte Anweisung, jegli ches Blutvergießen zu vermeiden, sofern es nicht aus Notwehr unabdingbar wurde. Seng war ehemaliger Leiter eines Aufklärungstrupps der Marines und hatte noch nie einen Mann verloren.
Sobald die Nomad sanft gegen das Schwimmdock stieß, ging das Team auch schon von Bord und stieg die Treppe zu einem kleinen Gebäude hinauf, in dem Werkzeuge und diverse Geräte untergebracht waren. Die Tür ließ sich problemlos entriegeln.
Seng warf einen kurzen Blick in die Runde und bedeutete den anderen, ihm zu folgen.
Die Scheinwerfer der Kräne und Schiffe tauchten den Kai in helles Licht, aber der Ausgang des Schuppens befand sich zum Glück auf der anderen Seite, und das Team sammelte sich im Schatten. Dann führte Seng die Leute in Zweierreihe und im Gleichschritt zum Ende des Kais und um das Lagerhaus herum.
Es war einundzwanzig Uhr sechsunddreißig. Ihnen blieben noch genau vierundzwanzig Minuten, um den Eingang des Gefängnisses zu erreichen. Neun Minuten später fanden sie den Lastwagen. Er stand unter einer trüben Laterne neben dem Lagerhaus geparkt. Seng erkannte das Modell: ein 1951er Ford, der aussah, als habe er mindestens drei Millionen Kilometer auf dem Tacho. Auf dem viereinhalb Meter langen Laderaum prangte eine leuchtend rote spanische Aufschrift: GONZALES – LEBENSMITTELTRANSPORTE. Im Führerhaus leuchtete die Glut einer Zigarette auf.
Seng ging zum offenen Fenster. Seine Hand lag auf dem Kolben der schallgedämpften Ruger P97 Automatik, Kaliber 45.
»
Dos.
«
Der Fahrer atmete den Qualm der filterlosen Zigarette aus.
»
Uno.
«
»Steigt hinten ein«, befahl Seng seinem Team. »Ich fahre vorn mit.« Er öffnete die Beifahrertür und schob sich auf den Sitz.
Wortlos legte der Fahrer den ersten Gang des ausgeleierten Getriebes ein und fuhr los. Die Hauptverkehrsstraße entlang der Bucht war nur spärlich beleuchtet, weil viele der Laternen entweder defekt und nie repariert worden waren oder weil man Strom sparen wollte. Nach einigen Blocks bog der Laster auf eine andere Straße ein und fuhr die leichte Steigung des San Juan Hill hinauf.
Santiago war Kubas zweitgrößte Stadt, lag in der Provinz Oriente, einer hügeligen Region voller Kaffee- und Zuckerrohrplantagen, und hatte im siebzehnten Jahrhundert als Inselhauptstadt fungiert. Das Labyrinth aus schmalen Straßen wurde immer wieder von kleinen Plazas durchbrochen, und die Gebäude im spanischen Kolonialstil waren allesamt mit Baikonen versehen.
Seng blieb stumm, schaute prüfend in die Seitengassen und behielt die Ziffern seines tragbaren GPS-Empfängers im Blick, um sicherzustellen, dass der Fahrer die richtige Richtung einschlug. Auf den Straßen herrschte kaum Verkehr, doch überall standen alte Autos geparkt, und die Bürgersteige waren voller Leute, die einen abendlichen Spaziergang unternahmen oder die Bars besuchten, aus denen laute kubanische Musik erklang. Von zahlreichen
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