Der goldene Buddha
auf die Tischplatte.
»Bei Lassiter«, meldete sich eine Stimme mit kantonesischem Akzent.
»Hier ist Stanley Ho. Dürfte ich bitte mit Mr. Lassiter sprechen?«
»Mr. Lassiter krank«, sagte die Stimme. »Doktor kommt bald.«
»Hat er für den Fall meines Anrufs eine Nachricht hinterlassen?«, fragte Ho.
»Moment bitte«, sagte die Stimme.
Ho wartete eine ganze Weile. Dann ertönte eine krächzende Stimme. »Tut mir Leid, alter Knabe«, stöhnte sie.
»Mich hat’s erwischt. Ein Mr. Samuelson aus unserem Hauptbüro war zufällig in der Stadt und übernimmt den Termin für mich.«
Lassiter klang gar nicht mehr wie er selbst, dachte Ho. Was auch immer er sich eingefangen hatte, es musste etwas Ernstes sein. »Er ist gerade hier eingetroffen«, sagte Ho.
»Keine Sorge, Mr. Ho«, sagte die Stimme und hustete, »er ist ein echter Fachmann, ein Experte für alte asiatische Kunst.«
»Gute Besserung«, wünschte Ho.
Sein Gesprächspartner erlitt einen rasselnden Hustenanfall, der fast eine Minute andauerte.
»Vielen Dank«, sagte die Stimme. »Ich hoffe, ich kann mir den goldenen Buddha demnächst mal anschauen.«
Ho legte auf und ging nach unten.
Der Funker auf der
Oregon
unterbrach die Verbindung und drehte sich zu dem Mann um, der in die Rolle von Lassiter geschlüpft war.
»Für einen Koch bist du ein verdammt guter Spion«, sagte er.
17
Für ein Dasein als krimineller Betrüger fehlte Winston Spenser das erforderliche Nervenkostüm. Im Augenblick kniete er vor dem Toilettenbecken seines Hotelzimmers und übergab sich.
Man hätte vermuten können, dass er an den Auswirkungen des reichlichen Alkoholgenusses litt, doch in Wahrheit war es die Anspannung, die ihm schwer auf den Magen schlug – die Lügen, die Täuschungen und das Wissen um die Falschheit seiner Tat. Inzwischen kam nur noch Gallenflüssigkeit hoch.
Spenser griff nach einem Handtuch und wischte sich den Mund ab.
Dann stand er auf und betrachtete sich im Spiegel. Seine Augen waren rot und blutunterlaufen, die Haut blass und grau.
Die Muskeln in seinem Gesicht verrieten, wie nervös er war, denn sie bebten und zuckten wie Maiskörner in einer heißen Pfanne. Er wollte sich eine Träne aus dem linken Augenwinkel wischen, aber auch seine Finger zitterten so sehr, dass er sie mit der anderen Hand abstützen musste. Dann ging er unter die Dusche, um sich die Angst irgendwie vom Leib zu waschen.
Richard Truitt stand im Wohnzimmer, wartete und ließ den Blick in die Runde schweifen, um die Zielperson besser einschätzen zu können. Das Mobiliar und die generelle Anmutung deuteten darauf hin, dass der Besitzer des Hauses seinen Wohlstand nicht ererbt, sondern erst kürzlich aus eigener Kraft erworben hatte. Die Stücke im Raum waren zwar teuer, verfügten aber über keinerlei Ausstrahlung, und ihre Anordnung zielte nicht auf Wohnlichkeit ab, sondern sollte Eindruck schinden. Altes Geld hatte stets eine Geschichte zu erzählen, aber hier hatte jemand einfach en gros eingekauft, um die Fläche zu füllen und ein Bild von sich zu vermitteln, das weder der Wahrheit entsprach noch von Einfallsreichtum kündete.
Truitt sah einen ausgestopften Löwen, bezweifelte jedoch, dass der Eigentümer das Tier selbst geschossen hatte. An den Wänden hingen ein paar Gemälde zeitgenössischer Künstler, darunter sogar ein Picasso, aber es waren bei weitem nicht ihre besten Werke. Truitt argwöhnte, dass man sie allein aus Prestigegründen gekauft hatte. Gäste ohne Stilempfinden oder Bildung würden wahrscheinlich mächtig beeindruckt sein. Bei einem alten Familienwappen schien es sich um eine Reproduktion zu handeln – und das französische Sofa im Louis-Seize-Stil sah so bequem aus wie ein Nagelbrett.
»Mr. Samuelson«, sagte eine Stimme aus Richtung der Treppe.
Truitt drehte sich um.
Der schmächtige Mann war ungefähr einen Meter siebenundsechzig klein und sah dank seiner Frisur so aus, als wäre er einem Gangsterfilm der siebziger Jahre entsprungen. Er bleckte das Gebiss, was ihm etwas Raubtierhaftes verlieh. Truitt vermutete, dass der Mann bloß lächeln wollte, hätte aber fast nach seiner Brieftasche gegriffen, um sich zu vergewissern, dass sie sich noch an ihrem Platz befand.
»Ich bin Stanley Ho«, sagte der Mann, erreichte den Fuß der Treppe und streckte die Hand aus.
Die Bühne war bereitet, und Truitt wurde zum Schauspieler.
»Paul Samuelson«, sagte er und begrüßte den Milliardär mit schlaffem Händedruck. »Die Zentrale hat mich gebeten,
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