Der goldene Esel
allgemeinen Mitleids gegen eine arme verlassene Waise übte er die zärtlichste Bruderliebe gegen das Mädchen. Er nahm sie zu sich in sein Haus, bestimmte ihr von seinem eigenen Vermögen eine ansehnliche Mitgift, und eben wollte er sie an seinen vertrautesten Freund verheiraten, als das Glück diese so löbliche, so großmütige Absicht auf die grausamste Weise vereitelte.
Von höllischer Eifersucht war dieses edeln Jünglings Gattin, obgedachte Missetäterin, besessen. Sie sah das Mädchen für ihre Nebenbuhlerin, für eine Beischläferin ihres Mannes an, ward derselben von Tag zu Tag gehässiger und trachtete ihr endlich mit schrecklicher Mordlust nach dem Leben. Sie ging dabei folgendermaßen zu Werke:
Sie bemächtigte sich heimlich des Ringes ihres Gemahls, begab sich aufs Land und sandte von dort aus einen mit ihr einverstandenen, aber aller Treue und Redlichkeit abgeneigten Sklaven an das Mädchen. Dieser mußte sagen: »Der junge Herr, der eben nach dem Landhause gekommen, schicke ihn, sie möchte ihm doch unverzüglich dahin folgen: aber allein, ohne alle Begleitung«. Zum Kreditiv seiner Gesandtschaft mußte er den gestohlenen Ring produzieren.
Auf dies Merkmal stand das Mädchen um so weniger an, dem Befehle ihres Bruders Gehorsam zu leisten. Ohne Verzug und Begleitung, wie es verlangt worden, machte sie sich auf und fing sich in der ihr in so hinterlistiger Weise gelegten Schlinge.
Das vor Eifersucht rasende Weib versicherte sich derselben sogleich, ließ sie nackend ausziehen und zerpeitschte sie halbtot. Das Mädchen schrie und beteuerte, was die Wahrheit war: nicht Beischläferin, sondern Schwester ihres Mannes sei sie! mit Unrecht hege man Eifersucht gegen sie. Doch anstatt die wilde Furie zu besänftigen, brachten sie diese Worte nur noch mehr auf; sie hielt sie für nichts als Unwahrheit und Arglist. Sie nahm einen glühenden Feuerbrand und fuhr damit ihrer Schwägerin zwischen die Lenden. So mußte das beste, harmloseste Mädchen des entsetzlichsten Todes sterben!
Auf die Nachricht dieses unglücklichen Vorfalls stürzten Bruder und Bräutigam in Eile herbei; aber all ihr Jammern, ihr Wehklagen rief die arme Unglückliche nicht wieder ins Leben zurück! Das einzige, was ihnen noch zu tun übrig blieb, war – sie zur Erde zu bestatten.
Der elende Tod seiner so zärtlich geliebten Schwester, und zwar durch eine Hand, welche am wenigsten dazu berechtigt war, war indessen mehr, als das empfindliche Herz des Bruders zu erdulden vermochte. Aus der schwärzesten Melancholie verfiel er bald in ein so heftighitziges Fieber, daß er schon am äußersten Rande des Lebens stand. Demungeachtet ging dennoch seine Gattin, wenn anders ein Weib von solchen Gesinnungen mit einem so ehrwürdigen Namen zu benennen ist, zu einem übelberüchtigten Arzt, welcher wohl mehr als einen zählen konnte, dem er durch seine tiefe Wissenschaft aus der Welt geholfen hatte. Sie bot demselben fünfzig bare Sestertien, wenn er ihr von seinem schleunigsten Gifte abließe, um ihren Mann damit desto gewisser fortzuschaffen. Der Arzt war nicht unerbittlich; er verfügte sich mit zu dem Kranken, interrogierte, observierte, meditierte, dissertierte, alles nur zum Schein, und verordnete endlich, zur Bruststärkung und Abführung der Galle, jenen Trank, der seiner Heilsamkeit halber bei den Arzneikundigen den Namen des heiligen Trankes führt. Als er aber dem Patienten anstatt dieses Lebenstrankes einen Sterbetrank eingerührt und ihm denselben in Gegenwart einiger Freunde und Verwandten und des Gesindes reichen wollte, da fiel ihm das Weib, das gern des Mitwissers ihres Verbrechens überhoben sein und das versprochene Geld ersparen wollte, plötzlich in die Arme, ergriff den Becher und sprach:
»Nicht also, bester Herr Leibmedicus! Nicht einen Tropfen von dieser Medizin darf mein lieber Mann einnehmen, bevor Sie nicht selbst einen guten Teil davon ausgetrunken haben! Wer weiß, es könnte ein tödliches Gift darinnen sein! Und Sie sind ein viel zu kluger Mann, als daß Sie diese kleine Vorsicht einer Frau übelnehmen könnten, die so aus inniger Seele für das Leben ihres Mannes besorgt ist!«
Kam je etwas irgend jemand unerwartet, so war es der verzweifelte Streich dieses gottlosen Weibes dem Leibarzte. Er stutzte gewaltig und hätte fast alle Fassung verloren; doch hier galt nicht langes Bedenken! Sollte er durch Zögern und Zagen sich verraten? Er tat frisch einige starke Züge aus dem Becher.
Nachdem er also kredenzt, nahm
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