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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucius Apuleius
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eine lebhafte Gebärdensprache zu verstehen: falls er sie den Sieg der Schönheit davontragen ließe, so wolle sie ihn durch Tapferkeit und durch erfochtene Kriegstrophäen berühmt machen.
    Venus war von einem ganzen Volke fröhlicher Amoretten umgaukelt. Süßlächelnd stand sie mit dem ihr eigenen Liebreiz mitten unter demselben, zum allgemeinen Entzücken des Schauplatzes. Man hätte die runden, zarten Knaben allesamt für wahre Amors halten mögen, die aus Himmel oder Meer herbeigeflattert, so sehr entsprachen sie ihrer Rolle durch ihre kleinen Fittiche und Pfeile und überhaupt durch ihre niedliche Leibesgestalt. Sie trugen der Göttin flammende Fackeln vor, als ginge sie zum Hochzeitsschmause. Auch die lieblichen Töchter jungfräulicher Schönen, die holden Grazien und die reizenden Horen, umflossen die Göttin. Schalkhaft warfen sie dieselbe mit Sträußen und Blumen und schwebten in künstlichem Reigen einher, nachdem sie also mit den Erstlingen des Lenzes der Mutter der Wollust gehuldigt.
    Jetzt flüsterten die viellöcherigen Flöten süße, lydische Weisen. Jegliches Herz wallte vor Vergnügen. Nun hub, lieblicher denn alle Musik, Venus sich zu bewegen an. Langsam erhob sich ihr Fuß, es schmiegte anmutig sich ihr Körper mit sanft auf die Seite gebogenem Haupte, jede reizende Stellung in Harmonie mit dem weichen Getöne der Flöten! Bald lächelte Huld und Milde auf ihrer Stirn, bald schreckte drohender Ernst; zuweilen tanzte sie allein mit den Augen.
    Wie sie vor den Richter hintrat, schien die Bewegung ihrer Arme demselben zu verheißen: daß, wenn er ihr vor den übrigen Göttinnen den Vorzug gäbe, sie ihm eine Gemahlin zuführen würde, die an Schönheit ihresgleichen nicht auf Erden fände und ihr ganz und gar ähnlich sein sollte. Alsofort reichte ihr mit Freuden der phrygische Jüngling den goldenen Apfel hin, das Zeichen des Sieges.
    Wundert Ihr Euch nun noch, Ihr einfältigen Schöpse, oder vielmehr Ihr gierigen Geier von Advokaten, daß heutzutage die Gerechtigkeit jeglichem Richter feil sei, da schon im Anfang aller Dinge in einen zwischen Göttern und Menschen zu entscheidenden Handel Parteilichkeit sich eingemischt; da der allererste Richter – den Zeus, der höchste Zeus, noch dazu selbst bestellt, und der nur ein schlichter Hirte war – durch Wollust sich hat bestechen lassen, und das zum gänzlichen Verderben seines Geschlechts! Traun! auch aus der Folgezeit sind ähnliche Beispiele von den edlen Heerführern der Achiver bekannt. Ist doch der gelehrte, erfindungsreiche Palamedes nicht anders als auf falsche Beschuldigungen der Verräterei wegen verdammt; ist doch des hohen Ajax unüberwindliche Tapferkeit auch den Ränken des lügenhaften Ulysses nachgestellt worden! Und war etwa die Gerechtigkeit bei den Atheniensern, diesen Gesetzgebern, diesen Weisen, diesen Lehrern aller Künste und Wissenschaften, war sie etwa da besser bestellt? Wurde nicht bei ihnen jener Greis von göttlicher Klugheit, welchen der delphische Apollo selbst für den weisesten aller Sterblichen erklärt hat, wurde nicht Sokrates bei ihnen auf die verleumderische Anklage einer schändlichen Rotte, als sei er, der die Jugend besserte, ein Verderber derselben, mit Gift hingerichtet? Ein Schandfleck in der Geschichte dieses Volks, den keine Ewigkeit auszubleichen vermag! Anstatt daß bis auf den heutigen Tag die allervortrefflichsten Philosophen dieses Weisen herrliche Lehrsätze vor allen anderen annehmen und aus brünstigem Verlangen nach Glückseligkeit zu seinem Namen schwören, wenden sie sich vielmehr geflissentlich von ihm ab!
    Doch, damit nicht etwa jemand diesen Ausfall tadeln und bei sich selbst sprechen möge: »Da haben wir's! Nun liest der Esel uns gar die Moral!«, so kehre ich von meiner Digression wieder zur Geschichte zurück.
    Nachdem Paris also das Urteil gesprochen, so traten Juno und Minerva unzufrieden und zornig von der Bühne ab. Eine jede drückte auf eine eigentümliche Art den Unwillen über ihre Verschmähung durch Geberden aus; Venus aber legte ihre Freude über den erhaltenen Sieg durch einen hüpfenden Tanz mit ihrem ganzen Gefolge an den Tag.
    Hierauf sah man oben auf dem äußersten Gipfel des Berges aus einer verborgenen Röhre in Wein aufgelösten Safran hoch in die Luft springen und dann als ein wohlriechender Regen auf die weidenden Ziegen herniedersprühen, so daß bald ihre blendende Weiße sich in Safrangelb verwandelte. Nachdem der ganze Schauplatz mit diesem angenehmen

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