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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Galen
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Erfolg mißgönntest. Und was war mit der hübschen Holzfällerstochter, die dir nach langem Ritt das frische Bru n nenwasser reichte? Die Schönheit des Mä d chens erweckte deine Begierde, und gern hättest du getan, was ich dir eben zeigte. Nein - du hast es nicht getan, aber der Wunsch war vo r handen, oder willst du das ableugnen?“
     
    Raigo war völlig vernichtet. Er erinnerte sich jetzt genau dieser Begebenheiten, und es e r schien ihm seltsam, daß es ihm vorher nicht bewußt geworden war. Mit Entsetzen und A b scheu mußte er erkennen, daß sei Gegenüber nicht ganz unrecht hatte. Noch heute schä m te sich Raigo vor sich selbst, wenn er an die niedrigen Gefühle dachte, die bei diesen Gel e genheiten in ihm aufgestiegen waren. Doch so drastisch war ihm vorher nie vor Augen g e führt worden, was geschehen wäre, wenn er diese Gefühle nicht unterdrückt hätte. Doch er war stets Herr über sich geblieben und hatte das Böse in sich bekämpft. Was also wollte sein anderes Ich? Er hatte diese Taten nie begangen, und er wußte außerdem genau, daß er sie auch nicht hätte begehen können.
    Langsam begann sich Raigo von seinem Schock zu erholen. Widerspruchsgeist und Selbs t verteidigung erwachten in ihm. Seine Schultern strafften sich, und er sah se i nem Gegenüber voll in die Augen.
     
    „Du hast recht!“ sagte er fest. „Ich weiß, daß auch in mir nicht nur Gutes steckt. Doch ich bemühe mich stets, das Richtige zu tun und dem Bösen in mir Einhalt zu gebieten. Zeige mir den Menschen, der ohne Makel ist! Wie sollte ich da wohl ohne Fehler sein?“
     
    „Du kannst es werden“, antwortete Raigo II, „denn ich bin gekommen, um mit dir zu käm p fen. Ich bin die böse Seite deines Wesens. Besiegst und tötest du mich, wirst du nie mehr in Gefahr geraten, etwas Unrechtes zu tun. Besiege ich jedoch dich, wird Raigo in Zukunft so sein, wie du es eben gesehen hast. Jetzt liegt es in deiner Hand - also kämpfe!“
     
    Sein Gegenüber zog das Schwert, und Raigo erkannte, daß es dem anderen mit dem Kampf ernst war. So zog auch er seine Waffe, und bald schon waren sie in ein heftiges Gefecht verwickelt.
    Sie waren sich verständlicherweise ebenbürtig, und so gelang es keinem von be i den, einen Vorteil zu erringen, obwohl Raigos zweites Ich mit allen üblen Tricks kämpfte.
    Doch da geschah es plötzlich, daß Raigo II stolperte. Blitzschnell sprang Raigo vor und schlug ihm das Schwert aus der Hand. Klirrend flog die Waffe in eine Ecke. Der andere wich zurück, und Raigo setzte nach. Mit dem Rücken stand sein Gegner zur Wand, und Raigos Schwertspitze zielte auf seine Kehle.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    „Töte mich!“ keuchte das böse Ich. „Dann bist du für alle Zeiten von mir befreit.“
     
    Schon zuckte es in Raigos Fingern, das Schwert in den Hals seines Gegners zu st o ßen, doch dann hielt er inne. Was würde geschehen, wenn er alles Böse in sich töt e te? Wäre er dann noch ein Mensch? Könnte er dann überhaupt noch überleben? Hilflos wäre er jedem Angriff ausgesetzt, da er seine Gegner nicht mehr verletzen, geschweige denn töten konnte. Wie könnte er je als König über Ruwarad herrschen? Er wäre nicht einmal fähig, einen Mö r der zu verurteilen, da er niemandem mehr etwas Böses zufügen konnte - selbst einem noch so g e meinen Untäter nicht. Verbrechen und Anarchie würden herrschen, denn er könnte nicht einmal dulden, daß man die Gesetzesbrecher bestraft. Ja, wenn er alle Konsequenzen b e dachte - würde er nicht verhungern müssen, da er nicht einmal ein Tier mehr würde töten können? Raigo schüttelte den Kopf, als sein Verstand die Tragweite dieser Tat e r faßte.
     
    „Was geschieht, wenn ich dich am Leben lasse?“ fragte er. „Ich habe dich besiegt. Wirst du mich nochmals angreifen, wenn ich dich jetzt gehen lasse?“
     
    Der andere lächelte höhnisch. „Ich wußte doch, daß du es nicht fertigbringen wü r dest! Du bist eben zu weich. Nein, ich kann dich nicht mehr angreifen. Du bist der Sieger. Aber ich werde immer in dir sein, sei auf der Hut! Du wirst mich nicht los - bis an dein Lebensende.“
     
    „Nun, ich habe bis jetzt mit dir gelebt, so werde ich wohl auch weiterhin mit dir fertig we r den“, sagte Raigo und steckte sein Schwert in die Scheide.
     
    Der andere verbeugte sich spöttisch. Dann dreht er sich herum und verschwand in der mi l chig werdenden Wand. Als Raigo die

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