Der goldene Kelch
Freund an der Seite schritt er zuversichtlich durch das Tor in die Straße der Goldschmiede, die von langen Schatten gestreift war. Den Babylonier sah er sofort; er wartete in einem Eingang schräg gegenüber der Werkstatt. Ranofer war aufgeregt, bemühte sich aber, es zu verbergen. Er würde ihn einfach nicht beachten; in Heqets Begleitung würde Ibni es bestimmt nicht wagen, Ranofer anzusprechen. Aber so leicht konnte man den Babylonier auch wieder nicht abwimmeln. Als die beiden Jungen an ihm vorbeigingen, trat er auf die Straße; er grinste breit, nickte heftig mit dem Kopf und hielt Ranofer den Weinschlauch hin. „Ein kleines Geschenk für deinen verehrten Bruder, mein Junge. Darf ich dich bitten, es ihm zu bringen. Ich weiß – ein armseliges Geschenk und nicht der Rede wert, ein bescheidener Wein, aber meine Frau macht ihn selbst aus eigenen Datteln…“
Ranofer holte tief Luft und sah ihm in die Augen. „Gebu will kein Geschenk. Ich soll dir sagen, dass er deinen Wein nicht mag.“
Ohne die Wirkung seiner Worte abzuwarten, eilte er weiter. Heqet folgte ihm mit einem Blick über die Schulter. „Komischer Kauz, dieser Babylonier“, bemerkte Heqet. „Ich glaube, du hast ihn beleidigt. Er hat so ein unheimliches Funkeln im Blick.“
„Na und? Für so einen spiel ich doch nicht den Laufburschen! Dieses Grinsen und dieser stinkende Atem – fast wie ein Krokodil!“
Ranofer war vollauf zufrieden. Er hatte seinem Feind voller Verachtung genau das ins Gesicht gesagt, was er sich am Morgen zurechtgelegt hatte; damit hatte er seinem Tag einen krönenden Abschluss verliehen. Er verbannte Ibni aus seinen Gedanken und sog genüsslich die Luft ein. Der scharfe Geruch geschmolzenen Goldes war dem Duft der Lotosblumen und Sumpfgräser gewichen, der sich mit den vertrauten brackigen Ausdünstungen des Nils und dem stechenden Geruch von Natronsalz und den Aromen der Harze und Öle aus der Straße der Balsamierer mischte, an der die beiden gerade vorbeigingen. Ranofer war so benommen vor Hochgefühl und Hunger, dass für ihn die ganze Welt vor Schönheit strahlte. Die Wüstenberge leuchteten wie Bernstein im letzten Sonnenlicht, im Norden kreiste ein Falke langsam über dem strahlenden Pharaonenpalast, als wollte er die Anwesenheit des Gottkönigs anzeigen, den er symbolisierte, und die quietschenden Schöpfräder auf den Feldern am Fluss klangen wie Flötentöne. „Die Götter meinen es gut mit Ägypten“, sagte Ranofer leise.
„Mit dir heute aber auch, oder? Ich habe gesehen, dass du Blätter geschlagen hast wie ein alter Hase. Bei Amun, dem Verborgenen, der Meister selbst hätte es nicht besser gekonnt!“
Ranofer fühlte sich tief geschmeichelt von Heqets Lob und von dem bewundernden Blick, den er ihm zuwarf. „Mein Vater hat es mir beigebracht.“ Und dann vertraute er seinem neuen Freund auch noch seinen geheimsten Wunsch an: „Vielleicht bringt mir Rekh noch mehr bei. Vielleicht werde ich eines Tages ja doch Meister und darf Halsketten für die Königin machen.“
„Möge Amun es dir gewähren!“, wünschte ihm Heqet von ganzem Herzen. „Vielleicht lächelst du dann ja ein bisschen öfter.“
Die plötzliche Vertraulichkeit hatte beide ein wenig verlegen gemacht; schweigend gingen sie weiter. Erst als das Lehrlingshaus mit dem Dach aus Palmwedeln zu sehen war, sagte Heqet in seinem gewohnt schnoddrigen Ton: „Wir nähern uns nun dem Großen Palast der Unterdrückten – ein Tempel, der selbst für die Götter zu schön ist! Ah, was für ein Leben ist das dort! Jeden Tag Spiel und Spaß. Tja, mein Freund, ich fürchte fast, ich muss dich jetzt verlassen – sagte der Hase zum Jäger und schlug einen Haken. Leb wohl! Möge Nut über deinen Schlaf wachen.“
Ranofer winkte grinsend zum Abschied. Heqet brachte einfach jeden zum Lachen, dachte er und versuchte, den Geruch gebratenen Fischs zu ignorieren, der vom Lehrlingshaus und, so schien es ihm, auch von jedem anderen Haus, an dem er vorbeiging, herüberwehte. Aber unweigerlich wurde vor seinem inneren Auge ein goldbraun gebratener Fisch aufgetragen, außen knusprig, innen saftig, und süßer duftend als alle Lotosblüten der Welt. Nur nicht dran denken!
Um auf andere Gedanken zu kommen, fing er an zu laufen. Als er in die Hauptstraße einbog, die parallel zum Fluss verlief, wäre er fast mit einer Gruppe Glasbläser zusammengestoßen. Geschickt wich er den Arbeitern aus, die ihm auf ihrem Heimweg entgegenkamen, und rief im Vorbeigehen Kai, dem
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