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Der goldene Kelch

Der goldene Kelch

Titel: Der goldene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloise Jarvis McGraw
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Bissen Honigkuchen daran denken musste, was dort geschah? Das Essen würde ihm im Hals stecken bleiben! „Na, sieh doch, Lotos, wir bekommen Besuch!“, rief eine vertraute Stimme direkt hinter ihm. Er fuhr herum und sah den Alten und seinen Esel zwischen den Halmen durch den Sumpf waten, dass es nur so platschte. Der Alte blieb stehen und sah Ranofer neugierig an. „Was ist denn los, mein Junge? Dachtest du, ich sei ein Kheftir?“
    „Nein, nein“, murmelte Ranofer, aber in Wahrheit war er so erschrocken, dass sein Herz immer noch wie wild raste. Um seinen Schreck zu verbergen, watete er ein Stück weiter, hielt die letzte Papyrusstaude zur Seite und tat so, als betrachtete er die bunt leuchtenden Segel, die den Fluss sprenkelten. Der Alte folgte ihm fröhlich plaudernd.
    „Schön, den Fluss wieder überfließen zu sehen, nicht wahr? Da hat man gleich viel mehr Lust zu arbeiten. Ich habe heute eine gute Ladung, Osiris war barmherzig mit mir. Die Seiler reißen mir bestimmt hocherfreut den Papyrus aus den Händen und überschütten mich mit Kupfer. Hi hi, ja, ja, bestimmt! Aber das sind Geizhälse, bei Seth! Sie handeln mich immer so weit runter, wie es nur geht!“ Der Alte kicherte und ließ den Esel los, damit er saufen konnte. „Aber wozu sich aufregen? Morgen gibt es Kuchen und Bier für alle! Der große Osiris wird wieder auferstehen und den Fluss mit einer Flut zu neuem Leben erwecken“, sinnierte er. „In letzter Zeit zufällig eine Hinrichtung gesehen?“
    Aber nur der Esel antwortete mit seinem lauten Schlabbern auf den vertrauten Scherz; dann sagte Ranofer: „Nein.“ Seine Stimme klang so erstickt, dass der Alte sich umdrehte und ihn aufmerksam ansah. „Was hast du denn auf dem Herzen, Junge?“
    „Nichts.“ Ranofer grub seine Zehen krampfhaft in den Schlamm. „Ich… ich dachte nur gerade an die beiden Grabräuber, die damals an der Palastmauer aufgehängt wurden. Weißt du denn, Gevatter, wie man sie gestellt hat?“
    Er heftete seinen Blick auf die Segel, aber er spürte, dass das Auge des Alten immer noch auf ihm ruhte. „Warum fragst du das?“, fragte der Alte bedächtig. „Man ist ihnen wohl gefolgt.“
    „Gefolgt? Zum Tal der Könige?“ Ranofer war so schockiert, dass er sich umdrehte und den Alten anstarrte. „Ja, zum Tal der Könige, zum Felsengrab und auch in die Grabkammer.“
    „In die Grabkammer? Aber wer würde es wagen – “
    „Einer, der den Pharao und die Götter Ägyptens ehrt – der wagte es“, sagte der Alte nur. Mit seinem einen Auge sah er den Jungen scharf und durchdringend an. „Warum fragst du, Junge? Was weißt du von Grabräubern, außer dem, was ich dir erzählt habe?“
    „Nichts, überhaupt nichts!“, sagte Ranofer schnell. „Ich war nur neugierig.“
    „So? Neugierig. Das kenne ich. Ihr Jungen seid wie die Katzen – steckt eure Nase in alles rein und plötzlich schnappt die Falle zu. Du solltest dir deine Neugier besser für ungefährlichere Angelegenheiten aufsparen!“ Ranofer schluckte. Er sagte nichts. Der Alte sah ihn immer noch so durchdringend an, als könnte er durch Ranofers Augen in sein Herz sehen. Ranofer fürchtete, er könnte ihm alles ansehen.
    „Ich… ich muss dann gehen“, stammelte er und drückte sich an dem Alten vorbei. „Sehen wir uns morgen?“
    „Ja, ja, wie immer!“
    „Bist du sicher, dass du nichts auf dem Herzen hast?“
    „Ja, ja!“
    Ranofer drehte sich um und verschwand zwischen den Papyrusstauden. In der Eile vergaß er sogar, dem Alten ein ewiges Leben zu wünschen. Erst als er das Dickicht hinter sich gelassen hatte und auf den staubigen Weg trat, erbat er Amuns Schutz für den Alten und auch für sich selbst, hatte er den göttlichen Beistand doch nötiger als alles andere. Wenn sich Gebu am Morgen auf den Weg ins Tal der Könige machte, musste Ranofer ihm folgen.

13
     
     
     
    Die Sterne funkelten noch am Himmel, als Ranofer von Gebus Getrampel aufwachte. Schaudernd erinnerte er sich daran, was er sich vorgenommen hatte. Er lag regungslos da, die Augen geschlossen vor der Wirklichkeit. Vor dem Quietschen der Tür zur Vorratskammer, den Schritten, die wenig später wieder im Hof erklangen, und dem leisen Klicken des Hoftors konnte er seine Ohren allerdings nicht verschließen. Gebu war weg. Dieses Mal durfte er nicht entkommen. Ranofer stand auf und ging zur Vorratskammer. Er schüttete sich Wasser ins Gesicht, nahm ein paar Schlucke gegen den Durst und suchte hastig nach Essen. Da waren ein halber

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