Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
zwischen den Welten wandeln. Und diese Wesen sprachen von einem Kind wie diesem, einem Kind, dem ein großes Schicksal bestimmt ist, das sich nur woanders erfüllen kann — nicht in dieser Welt, sondern weit jenseits davon. Ohne dieses Kind werden wir alle sterben, sagen die Hexen. Aber es muß sein Schicksal erfüllen, ohne zu wissen, was es tut; nur wenn es völlig ahnungslos ist, können wir gerettet werden. Verstehen Sie das, Farder Coram?«
    »Nein«, antwortete Farder Coram, »das kann ich nicht behaupten.«
    »Es bedeutet, daß es ihr freistehen muß, Fehler zu machen. Wir müssen hoffen, daß sie keine macht, aber wir dürfen sie nicht lenken. Ich bin froh, daß ich dieses Kind noch gesehen habe, bevor ich sterbe.«
    »Aber woher wissen Sie, daß Lyra dieses Kind ist? Und was meinten Sie mit Wesen, die zwischen den Welten wandeln? Ich halte Sie für einen aufrichtigen Menschen, Doktor Lanselius, aber das verstehe ich nicht.«
    Bevor jedoch der Konsul antworten konnte, ging die Tür auf, und Lyra kam triumphierend mit einem kleinen Kiefernzweig herein.
    »Das ist er!« sagte sie. »Ich habe alle untersucht, und dieser ist es, da bin ich sicher.«
    Der Konsul begutachtete den Zweig und nickte dann.
    »Richtig«, meinte er. »Wirklich, Lyra, das ist beachtlich. Du kannst dich glücklich schätzen, ein solches Instrument zu besitzen, und ich wünsche dir alles Gute damit. Ich möchte dir zum Abschied etwas mitgeben…«
    Er nahm den Zweig und brach ein kleines Stück ab. »Ist sie damit geflogen?« fragte Lyra ehrfürchtig.
    »Ja. Ich kann dir nicht den ganzen Zweig geben, denn ich brauche ihn, um Kontakt mit ihr aufzunehmen, aber das hier wird reichen. Paß gut darauf auf.«
    »Das mache ich bestimmt«, sagte sie. »Vielen Dank.« Sie steckte den Zweig in den Beutel zum Alethiometer. Farder Coram berührte den Rest des Zweiges, als könne er ihm Glück bringen, und auf seinem Gesicht lag ein fast sehnsüchtiger Ausdruck, den Lyra noch nie zuvor bei ihm bemerkt hatte. Der Konsul brachte sie zur Tür, wo er zuerst Farder Coram und dann Lyra die Hand schüttelte.
    »Ich wünsche euch viel Erfolg«, sagte er. Trotz der schneidenden Kälte blieb er in der Haustür stehen und sah ihnen nach, wie sie die kleine Straße hinuntergingen.
    »Das mit den Tataren wußte er schon vor mir«, erzählte Lyra Farder Coram. »Das Alethiometer hat mir das gesagt, aber ich habe es für mich behalten. Es war der Tiegel.«
    »Wahrscheinlich wollte er dich auf die Probe stellen, mein Kind. Aber es war richtig von dir, höflich zu sein, da wir nicht sicher sein konnten, was er bereits wußte. Und das mit dem Bären war ein nützlicher Hinweis. Ich weiß nicht, wie wir sonst davon erfahren hätten.«
    Sie fanden das Depot, das aus ein paar Lagerhäusern aus Beton auf einem Gelände bestand, auf dem zwischen grauen Felsen und zugefrorenen Schlammpfützen spärliches Unkraut wuchs. Ein griesgrämiger Mann in einem Büro erklärte ihnen, daß der Bär ab sechs Uhr Feierabend habe, sie sich aber beeilen müßten, da er meist schnurstracks den Hof hinter Einarssons Bar aufsuchte, um sich zu betrinken.
    Danach ging Farder Coram mit Lyra in das beste Kleidergeschäft der Stadt und kaufte ihr warme Kleider: einen Anorak aus Rentierfell, da Rentierhaare hohl sind und deshalb einen zuverlässigen Schutz gegen Kälte und Nässe bieten; die Kapuze war mit Marderpelz gefüttert, der das beim Atmen entstehende Eis abwies. Dann besorgten sie warme Unterwäsche, Einlagen aus Rentierkalbfell für die Stiefel und Seidenhandschuhe zum Unterziehen unter die großen Pelzfäustlinge. Stiefel und Fäustlinge waren aus der besonders strapazierfähigen Haut von Rentiervorderbeinen gefertigt, und die Stiefel waren mit Bartrobbenhaut besohlt, die genauso zäh wie Walroßleder war, aber etwas leichter. Zuletzt kauften sie noch ein Regencape aus durchscheinendem Seehunddarm, das Lyra ganz umhüllte.
    Als sie alles angezogen und dazu noch einen dicken Seidenschal um den Hals geschlungen, eine Wollmütze über die Ohren gezogen und die große Kapuze aufgesetzt hatte, war ihr viel zu warm; aber schließlich würden sie ja noch in viel kältere Gegenden kommen.
    John Faa, der das Entladen des Schiffes beaufsichtigt hatte, hörte sich aufmerksam an, was der Hexenkonsul gesagt hatte. Als er von dem Bären hörte, wurde er unruhig.
    »Noch heute abend suchen wir ihn auf«, sagte er. »Habt Ihr jemals mit einer solchen Kreatur gesprochen, Farder Coram?«
    »Ja, sogar

Weitere Kostenlose Bücher