Der goldene Kuß
Angestellten noch nie gehört hatten, brachte Horst Helmke seine Braut nach Hause. Rathberg hatte ihr acht Tage Urlaub gegeben. »Fahren Sie in den Schwarzwald«, hatte er gesagt. »Atmen Sie die herrliche Luft. Erholen Sie sich. Und dann hinein ins Vergnügen. Ich habe große Pläne mit Ihnen …«
Unterdessen saß der alte Withcock im Hotel ›Akrotiri‹ auf Zypern und heulte vor Wut. »Ein Glück haben diese Deutschen! Ein Glück! Erleben das Erdbeben und filmen es, und haben einen Star, der in der Höhle verschüttet wird! Und was habe ich?! Lauter Bettnässer, die weglaufen und die Kamera allein lassen!« Er sah Karin Jarut, die neben ihm an der Bar saß, kopfschüttelnd an. »Konnte Ihnen nicht wenigstens ein Stein auf den Kopf fallen? Ein Stirnverband – das wäre noch etwas gewesen! Aber nein! Alle sind glatt wie Lederhosen!«
»Sie haben vielleicht Nerven!« Karin Jarut sog wütend ihr kühlendes Getränk durch den Strohhalm. »Ich dachte, Sie wollten einen intakten Star.«
»Unter normalen Umständen, ja. Aber jetzt regiert die Katastrophe. O Gott, welch herrliche Zeiten waren das noch beim Film! Wenn damals ein Star in ein Erdbeben gekommen wäre, hätte man sie, gesund oder nicht, mit Mull umwickelt und auf einer Bahre so lange herumgetragen, bis die ganze Welt in Tränen ausgebrochen wäre. Aber heute …« Mr. Withcock winkte ab, goß einen Whisky hinunter und schämte sich, Fernsehproduzent zu sein.
Im Funkhausgebäude in Deutschland begleitete nach dem Galaessen Theo Pelz den Intendanten in dessen Zimmer. Er hatte noch etwas Wichtiges auf dem Herzen, und jetzt war sicher die beste Gelegenheit, das loszuwerden. Dr. Rathberg war bester Laune.
»Ich möchte noch etwas über Karin Jarut sagen«, meinte Pelz, nachdem er eine Zigarre abgeschnitten hatte. Dr. Rathberg hob abwehrend beide Hände.
»Kein Wort!«
»Sie hat sich nach dem Erdbeben fabelhaft benommen.«
»Ich will nichts von ihr hören, Herr Pelz!«
»Tommy Brest kann es bestätigen.«
»Der ist befangen.«
»Dann fragen Sie Heimann, der sie am liebsten auffressen möchte.«
»Kein Interesse.«
»Sie hat ihr amerikanisches Team verlassen und ist mit Brest ins Erdbebengebiet gefahren. Es war eine Fahrt in unbekannte Gefahren.«
»Pelz, lesen Sie mir kein neues Drehbuch vor …«
»In der Stunde der Gefahr hat sie sich wie ein Mann gezeigt.«
»Hurra! Hurra! Hurra! – Wollen Sie noch mehr?«
»Ja! Verzeihen.«
Dr. Rathberg sah seinen Programmdirektor mit geneigtem Kopf an. »Herr Pelz, ich bin kein Mensch, der einen rotangestrichenen Stuhl als blau verkauft …«
»Aber Sie sind ein guter Christ, Herr Intendant. Und das heißt: Vergeben …«
»Bitte!« Dr. Rathberg wandte sich konsterniert ab. »Wenn Sie über Christentum reden, klingt das wie ein Happening. Ich widerrufe mich doch nicht selbst.«
»Das ist auch nicht nötig.« Theo Pelz griff in die Tasche und holte einige Blätter heraus. Mißtrauisch schielte Dr. Rathberg auf die Papiere.
»Was ist das?«
»Ich habe etwas vorbereitet. Ein Bericht aus dem Erdbebengebiet und einige Fotos, die Karin Jarut im Jeep zeigen, wie sie die zerschundene Vera Hartung in Sicherheit bringt. Wenn mit Ihrer Erlaubnis diese Serie in einigen Illustrierten erscheint, dann könnte man … aus Dankbarkeit gewissermaßen …«
»Welch ein Gauner sind Sie doch!« Dr. Rathberg nahm die Fotos und betrachtete sie. »Natürlich getürkt!«
»Nein. Echte Aufnahmen. Kameramann Hilperts hat sie mit einer Privatkamera gemacht. Hier ist nichts gestellt.«
Dr. Rathberg betrachtete die Fotos lange und legte sie dann weg auf seinen Schreibtisch. »Wir reden noch darüber«, sagte er dann. »Morgen.«
Theo Pelz verbeugte sich leicht und ging. Er war froh. Ein Teilerfolg, dachte er. Er hat die Bilder nicht zerrissen. Und er hat sie auf seinen Tisch gelegt. Das läßt hoffen …
*
Seit drei Tagen ging Detlev Cranz mit einem bunten Schlips und gestreiften Socken herum. Er trug getönte Hemden und lachte viel, was man sonst gar nicht an ihm kannte. Freunde, die ihn abends besuchten, fanden seine Wohnung leer, oder er machte einfach nicht auf. Ein beharrlicher Freund, der es genau wissen wollte und in seinem Wagen vor dem Hause Cranz' so lange parkte, bis sich dort etwas rührte, enthüllte das Geheimnis der neuen Jugendlichkeit.
»Sie ist weizenblond, langbeinig, herrlich jung und hat einen Hüftschwung wie die Monroe«, berichtete er später den anderen Freunden. »Detlev spielt Tannhäuser im
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