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Der goldene Ring

Der goldene Ring

Titel: Der goldene Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian May
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wahrscheinlich den Geringen weggenommen hatten.
    Seelenruhig zog Felice einen Speer aus einem toten Gestaltwandler und benutzte ihn als Bergstock beim Überklettern des grauenhaften Hügels, der den Eingang blockierte. im Innern des Raums, der ein in Trümmer geschlagenes luxuriöses Schlafzimmer war, lagen sechs Tote in Rüstungen aus farbigem Glas. Vier Tanu-Männer und eine Tanu-Frau zeigten Blutspuren. Sie waren von Pfeilen mit Eisenspitzen vergiftet worden. Die zweite Frau war menschlich. Sie trug einen Goldring und eine Rüstung in Saphirblau. Wunden hatte sie nicht; vermutlich war sie einem mentalen Angriff zum Opfer gefallen.
    Felice nahm ihren Hoplitenhelm ab und stellte ihn auf einen großen Nachttisch. Auf einem niedrigen Brett standen -ein greller Kontrast in ihrer ungestörten Ordnung - eine goldene Kanne und ein Waschbecken. Das Mädchen füllte das Becken mit Wasser und stellte es auf den Tisch. Einen Augenblick lang stand sie da und blickte auf die Leiche der Menschenfrau nieder. im Tod zeigten ihre azurblauen Augen erweiterte Pupillen, seltsam ausdrucksvoll in einem Gesicht so blaß wie Kreide. Langes kastanienbraunes Haar breitete sich wie ein Heiligenschein um ihren bloßen Kopf auf dem Teppich aus. Ihr Helm lag nahebei. Die schlanken Finger in den juwelenbesetzten, blau plattierten Handschuhen krümmten sich um einen goldenen Ring.
    Wie ein Akoluth zu Beginn eines Rituals kniete Felice nieder. Die Leichenstarre war aus den Händen gewichen, und der Ring konnte leicht aus ihrem Griff gelöst werden. Das vordere Schloß mit den Auswüchsen klickte. Das Mädchen öffnete den Ring um das hintere Scharnier und zog ihn der Toten vom gelblich verfärbten Hals. Sie stand auf, trat ans Becken, tauchte das Gold mehrere Male unter und trocknete es mit einem weichen Handtuch ab.
    Dann befestigte Felice den Ring geschickt um ihren eigenen Hals.
    Die Realität eröffnete sich ihr. Sie stieß einen durchdringenden Schrei aus.
    So ... so war es also. Alles war in ihr versteckt gewesen, unterdrückt und verleugnet, so gefürchtet bei den Schwächeren rings um sie. Aber jetzt offen, befreit und einsatzbereit.
    Sie trat auf den Balkon des Todeszimmers hinaus. Zitternd, etwas geblendet von Freudentränen sah sie Über die Ruinen von Finiah hinweg. Da waren der breite Rhein, die Höhen der Vogesen, Hoch-Vrazel selbst am westlichen Horizont, wo König Yeochee und Sharn-Mes und die anderen Firvulag zweifellos immer noch den Triumph Über ihren alten Feind feierten. Da waren die hohen Pässe, Über die sie hergekommen war, allein, zu spät für den Krieg. Sie war Häuptling Burke und Khalid Khan und den Resten der Geringen-Armee begegnet, die frisch befreite menschliche Überlebende von Finiah in das Lager am Ufer führten, wo sie das Urteil Madame Guderians erwarten sollten.
    Das Gold warm an ihrer Kehle, begann Felice zu lachen. Der Wind trug ihr Lachen davon und ließ es anschwellen, bis es Über die verwüstete Stadt hinschallte. Die Raben, aus ihrer Dreistigkeit geschockt, erhoben sich träge in die Luft.

2
    Sharn-Mes, der junge Champion, betrachtete die tumultuarische Szene in der Halle des Bergkönigs und schüttelte in verwunderter Belustigung den Kopf.
    »Sieh sich einer diese Bande von betrunkenen Krakeelern an! Sie werden nach diesem Besäufnis mindestens drei Tage lang schlafen. Weißt du, Ayf, das bringt unsern ganzen Reiseplan durcheinander. Die Rüstungen und Waffen müssen Überholt werden, bevor wir nach Süden ziehen, wenn wir beim Großen Wettstreit nicht wie aus der Lumpenkiste auftreten wollen.«
    »Es ist noch viel Zeit.« Ayfa, Anführerin der Krieger-Ogerinnen, setzte ihren Metkrug ab und füllte ihn neu. »Den Jungen und Mädchen steht eine Feier zu. Vierzig Jahre ist es her, daß wir Grund hatten, uns vor Freude zu betrinken.
    Wen kümmert es, ob wir ein paar Vorspiele unten auf der Weißen Silberebene verpassen? Mit den wichtigen Kämpfen werden sie ohne uns doch nicht anfangen.«
    »Ich denke auch«, stimmte Sharn ihr zu, »daß wir uns eine Party verdient haben.«
    Die beiden Großen Hauptleute hatten sich auf einer behaglichen Galerie niedergelassen, wo bei offiziellen Festen die Musiker ihren Platz hatten. Aber es war nichts Offizielles an dem Treiben, das sich jetzt unter ihnen abspielte. Alle Firvu lag-Veteranen der kurzen Finiah-Kampagne sowie die meisten übrigen Bürger von Hoch-Vrazel schienen sich in der königlichen Audienzhalle zu drängen, um den unerwarteten Sieg zu

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