Der goldene Schwarm - Roman
Commander.«
»Oh, natürlich. Metapher. Nun, jeder so, wie er mag. Das Volk braucht viel Aufmerksamkeit, was?«
»Unablässig.«
»Interessant, dass das so häufig vorkommt in wärmeren Gefilden. Muss am Wetter liegen. Der typische Franzose braucht ziemlich wenig Pflege, der Freibauer aus Wessex gar keine. Die Schotten und die Holländer sind komplett dagegen. Aber kaum kommt man in wärmere Landstriche, braucht ein jeder Belehrung und Regulation. Lästig nenne ich das.«
»Es ist eine ernste Pflicht, die mir die Gelegenheit bietet, Gott näher zu sein. Fühlen Sie sich Gott nahe?«
»Aber selbstverständlich. Dieu et mon droit , wissen Sie. Das Leben eines Diplomaten unterscheidet sich kaum von dem eines Bischofs.«
Shem Shem Tsien lächelt. »Bischöfe dürfen nicht der körperlichen Liebe frönen.«
»Diplomaten sollten Kriege vermeiden und Nonnen nicht trinken; Fischer sind schweigsam, ganz abgesehen davon, dass Minister selbstlos sind und Richter unbestechlich. Erstaunlich nur, wie oft wir alle ins Stolpern kommen.« Commander Banister setzt ein breites, idiotisches Grinsen auf, und in seinem blassen, mädchenhaften Gesicht blitzen die Augen. Shem Shem Tsien nickt anerkennend. Ja, in der Tat. Hier ist ein Mann, der seine Aufmerksamkeit verdient. Eine tölpelhafte Maske, die gar nicht erst versucht, glaubwürdig zu sein, zusammen mit einer hauchdünnen Provokation: Shem Shem Tsien ist dazu herausgefordert worden, die Wahrheit über James Banister herauszufinden und vielleicht auch seinen Preis.
»Nette Dekoration«, sagt Banister und deutet auf die riesige zuckende Front hinter seinem Gastgeber.
»Gefällt es Ihnen? Der ästhetische Aspekt ist natürlich nur sekundär. Doch ich habe das Gefühl, ein Thron vor dem Hintergrund eines Sturmes ist durchaus aussagekräftig.«
»Sekundär, ja? Was ist denn das Primäre?«
Das Lächeln des Opium-Khans wird etwas schmaler. »Ich habe eine krankhafte Angst vor Insekten, Commander Banister.«
»Vor Insekten? Ein großer Kerl wie Sie?«
»Ich habe einmal einen japanischen Händler dabei erwischt, wie er mit einer Kollektion von Weingläsern durch mein Reich wanderte, Commander. Neben wahrhaft hervorragendem englischen Kristall und einigen verlorenen Wachsmodellen von Lalique hatte er auch eine kleine Anzahl von Zylindern voller Stechmücken bei sich, die mit dem Blut sterbender Menschen gefüttert worden waren. Die Krankheiten, die sie trugen, waren außerordentlich virulent. Verstehen Sie? Ich glaube, die Idee stammte von einem amerikanischen Autor, von einem Mann, der Asien offenbar nicht geliebt hat. Natürlich haben die Amerikaner – womit ich wohl die weißen Amerikaner meine – Erfahrung damit, Krankheiten unter denjenigen zu verbreiten, die ihnen im Wege stehen.«
»Charmanter Einfall.«
»Allerdings. Als Kriegslist ist die Taktik wirkungsvoll. Als menschliche Handlung verabscheuungswürdig.« Sehen Sie, Commander Banister. Ich benutze das Wort, aber ich fühle es nicht. Verstehen Sie: Für mich gibt es keine Grenzen.
James Banisters verbindlicher Gesichtsausdruck bleibt unbewegt, und der Opium-Khan rümpft kurz die Nase. Ist der Mann minderbemittelt? Oder mutig? Der Engländer fährt fort.
»Ich hab gehört, Sie haben selbst gerade einen kleinen Krieg geführt?«
»Gesindel aus den Wäldern. Holzfäller und Köhler. Es gibt einen wahren Krieg dort draußen in der Welt, und er steht vor meinen Toren. Worauf Sie sich beziehen, ist lediglich ein lokales Autoritätsproblem, nichts weiter.«
»Aufmüpfige Bauern?«
»Fehlgeleitet von den letzten Überlebenden einer alten Auseinandersetzung.«
»Du liebe Zeit. Am besten, man unterbindet solche Sachen rechtzeitig.«
»In der Tat. Es kommt selten vor, dass ich es bereuen muss, Gnade habe walten zu lassen.«
Commander Banister nickt. Ja, er hat die Anspielung verstanden. »Kann ich mir vorstellen«, sagt er kühl und knallt mit den Hacken. »Wenn ich mich empfehlen darf?«
Shem Shem Tsien nickt großherzig. »In einer Stunde werden wir speisen, Commander Banister. Mein Koch ist angewiesen worden, zu Ihrem Vergnügen einige traditionelle Gerichte zuzubereiten.«
»Keinen Ziegenbock, will ich hoffen.«
»Addeh-Schwan mit einer Perlen-Essig-Sauce, Kartoffeln mit Blattgold und einem confit vom Roten Sikkim-Tiger.«
»Tiger hatte ich noch nie. Wie schmeckt der?«
»Es heißt, das hänge sehr stark davon ab, was das Tier selbst zuvor verspeist hat.«
»Und bei diesem Tiger?«
»Ich habe ihn
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